Titel: Unter Landarbeitern
Untertitel: Ein Zwiegespräch
Datum: 1884
Quelle: Aus: Malatesta, Errico Unter Landarbeitern: Ein Zwiegespräch. - 1. Auflage (1000). - Meppen/Ems: EMS-kopp Verlag, 1976. - 51 S.
Bemerkungen: Erschienen im Original unter dem Titel: "Propaganda socialista. Fra Contadini", Florenz 1884.

JOHANN: Ah, das trifft sich gut! Guten Tag, mein Lieber! Ich hegte schon lange den Wunsch, mit dir zu sprechen und freue mich, dich jetzt zu treffen ... Aber Peter! Was man von dir zu hören bekommt! So lange du hier auf dem Lande warst, bist du ein prächtiges Bürschlein gewesen, das Muster eines jungen Mannes in deinen Jahren ... Denk’ mal, wenn dein Vater noch lebte! ...

PETER: Aber Johann, warum sprichst du so zu mir? Was habe ich denn getan, um deine Vorwürfe verdient zu haben? Und weshalb sollte denn mein Vater mit mir unzufrieden sein?

JOHANN: Na, werd' nur nicht gleich böse über das, was ich dir sage. Peter. Ich bin alt und will nur dein eigenes Bestes. Und da der alte Andreas, dein Vater, und ich so gute Freunde waren, so tut es mir leid, dich auf Abwegen zu sehen, als ob es mein eigener Sohn wäre, besonders wenn ich daran denke, was für Hoffnungen dein Vater auf dich hatte und was er aufopferte, um dir einen ehrlichen Namen zu schaffen.

PETER: Aber Johann, wovon sprichst du denn! Bin ich vielleicht kein ehrlicher Arbeiter? Ich habe noch nie einem Menschen Böses getan, ja im Gegenteil - verzeihe, dass ich es sage - ich habe soviel Gutes getan, wie es in meiner Macht steht. Warum sollte sich da mein Vater meinetwegen schämen? Ich habe mein bestes getan, um mir Wissen anzueignen und mich auszubilden und ich versuche mit meinen Kameraden, das Böse zu heilen, das uns alle unterdrückt. Mit welchem Recht machst du mir da Vorwürfe, Johann?

JOHANN: Aha! da haben wir's ja! Ich weiß wohl, dass du arbeitest und deinen Nächsten hilfst. Du bist ein guter Junge, das sagen sie alle hier auf dem Lande. Und doch ist es wahr, dass du schon mehrmals im Gefängnis gesessen hast. Man sagt, dass die Polizei bewacht und dass man riskiert, sich Misstrauen zuzuziehen, wenn man sich in deiner Gesellschaft zeigt ... Vielleicht mache ich mich sogar jetzt missliebig, wenn ich mit dir spreche ... Aber ich will dein bestes und spreche mit dir trotz alledem. Peter höre auf den Rat eines alten Mannes; glaube mir und bleib nicht länger bei den Menschen, die nichts anderes tun als politisieren.
Denk nur daran, deine Arbeit zu tun und rechtschaffen zu handeln.

PETER: Glaube mir, Johann, meine Genossen sind prächtige Kerle. Das Brot, das sie essen, kostet sie Tränen und ist mit ihrem Schweiß benetzt. Lass nur unsere großen Herren, die Gutsbesitzer sie schlecht machen; dieselben Gutsbesitzer wollen den letzten Blutstropfen von uns saugen und behandeln uns wie Verbrecher wenn wir versuchen, unsere Lage zu verbessern, wenn wir uns ihrer Unterdrückung entziehen wollen. Und du, der du dein ganzes Leben gearbeitet und gehungert hast wie wir anderen, du, der du vielleicht im Armenhaus sterben wirst, wenn du nicht mehr arbeiten kannst, du solltest nicht mit unseren Ausbeutern und der Regierung zusammen sein und die anfallen, die das Los der Armen verbessern wollen.

JOHANN: Mein lieber Junge, ich weiß wohl , dass die Welt sehr schlecht ist, sie aber verändern zu wollen ist dasselbe wie die krummen Beine eines Hundes gerade richten zu wollen. Nimm's hin wie es ist, und danke Gott, dass wir wenigstens das Brot nicht entbehren. Arme und Reiche hat's immer gegeben. Wir, die wir zur Arbeit geboren sind, müssen eben arbeiten und damit zufrieden sein, was Gott uns gibt.

PETER: Du sprichst genau so wie unsere Herren. Nachdem sie uns alles geraubt haben, nachdem sie uns gezwungen, wie Tiere um das liebe Stück Brot zu arbeiten, während sie im Reichtum und Überfluss dahinleben von unserem Schweiß, ohne selbst etwas zu arbeiten, kommen sie her und erzählen uns, das wir uns in unser Schicksal finden müssen, wenn wir ehrliche Menschen bleiben wollen. Wenn wir aber diesem Rat nicht folgen, wenn wir uns daran erinnern, dass auch wir Menschen sind, und dass sie, welche arbeiten, auch das Recht haben, sich satt zu essen, dann werden wir als Banditen behandelt, von der Polizei ins Gefängnis geworfen und von den Geistlichen zur Hölle verdammt.
Lass dir gesagt sein, Johann, du, der niemals das Blut seines Nächsten gesaugt hast: die wirklichen Banditen, die Männer ohne Ehre, das sind die, welche davon leben, andere zu unterdrücken, die, welche alles zwischen Himmel und Erde an sich gerissen und durch Gewalt und Verfolgungen das Volk zu einer Herde Schafe gemacht haben, die gutwillig sich scheren und schlachten lassen. Und du gehst zusammen mit den Menschen, die uns so verfolgen! Ist es nicht genug, wenn eine Regierung, die von den Reichen und für die Reichen errichtet wurde, uns unterdrückt? Müssen sich auch unsere eigenen Brüder, die armen Arbeiter über uns werfen, weil wir wollen, dass sie Brot und Freiheit haben sollen?
Oh, wenn nicht das Elend, die Unwissenheit , die Gewohnheiten einer Jahrhunderte alten Sklaverei diese traurigen Verhältnisse erklären würden, so möchte ich sagen, dass die armen Teufel ohne Ehre sind, die zum Werkzeug der Unterdrücker der Menschheit geworden sind, und nicht wir, die wir unser letztes Brot und die elende Freiheit, die wir noch besitzen, opfern, um einen solchen Zustand herbeizuführen, wo alle ein glückliches Leben führen können.

JOHANN: Du hast gut reden, aber ohne Gottesfurcht kommt man nicht weit, das kannst du mir nicht einreden. Ich habe unsern Pfarrer darüber sprechen hören, und er sagte, dass du und deine Kameraden eine Schar Ausgestoßener seien. Ich habe auch Herrn Antonson gefragt - und er ist ein studierender Herr - und er hat auch gesagt, ihr seid entweder Verrückte oder Verbrecher, die essen und trinken wollen, ohne etwas zu arbeiten und die, anstatt etwas gutes für die Arbeiter zu tun, die Herren nur daran hindern, alles auf die beste mögliche Weise einzurichten.

PETER: Johann, wenn wir miteinander darüber sprechen wollen, dann lasse Gott und den Pfarrer in Frieden, denn sieh' mal, Gottes Name dient allen denen zum Vorwand, die ihre Nächsten betrügen und unterdrücken wollen. Die Fürsten und Könige behaupten, Gott hätte ihnen das Recht zu regieren gegeben, und wenn sich zwei Könige eines Landstriches wegen bekämpfen, wollen sie beide die Gesandten Gottes sein. Gott gibt jedoch dem das Recht, der die meisten Soldaten und die besten Waffen hat. Die Gutsbesitzer, Wucherer, Ausbeuter, sie alle sprechen von Gott.
Die katholischen, protestantischen, mohammedanischen und jüdischen Priester behaupten alle, Vertreter Gottes zu sein. In Gottes Namen heiligen sie den Krieg und jeder versucht, Wasser auf seine Mühle zu bekommen. Aber keiner von ihnen bekümmert sich um die Armen.
Wenn man ihnen glauben soll, dann hat Gott ihnen alles überlassen und uns zur Arbeit und Armut verurteilt. Ihnen gehört das Paradies in dieser und in der künftigen Welt. Für uns ist die Hölle in dieser Welt und das Paradies in der Künftigen nur, wenn wir fügsame Sklaven in unserem Erdenleben gewesen sind.
Lass mal gut sein, Johann: ich will mich nicht auf Gewissensfragen einlassen, jeder kann denken, wie er will. Was mich betrifft, so muss ich dir sagen, dass ich nicht an Gott glaube, auch nicht an die Geschichten der Priester: denn wenn die Priester behaupten, ihre Religion verkündet die reine Wahrheit, so kann doch niemand einen Beweis für die Wahrheit dieser Behauptungen bringen.
Wenn ich wollte, könnte ich mir auch eine Menge Quatsch erdenken und dann sagen, das alle, welche mir nicht glauben und nicht gehorchen, zur ewigen Verdammnis verurteilt sind.
Aber dies kann sein wie es will, du hast natürlich Recht, das zu glauben, was du willst, wenn du mir nur nicht damit kommst und sagst, Gott will, wir sollen arbeiten und hungern, die Kinder sollen mager und kränklich sein, wegen ungenügender Nahrung und Pflege, unsere Töchter sollen bezahlte Geliebte für die Herren sein - denn dann sage ich dir, dein Gott ist ein Mörder.
Wenn Gott existiert, dann hat er jedenfalls keinem Menschen gesagt, was er will. Lass uns deshalb daran gehen, uns unser Glück für uns und unsere Nächsten in dieser Welt zu schaffen, Wenn es einen Gott in der anderen Welt gäbe, und dieser Gott gerecht wäre, dann würde er nicht böse auf uns sein, weil wir für den Wohlstand Aller kämpfen, weil wir selbst nicht leiden wollen oder zulassen wollen, dass man anderen Menschen Leiden aufzwingt, denn nach den Behauptungen der Priester sind doch alle Menschen Gottes Geschöpfe und also unsere Brüder.
Du sagst, Gott hätte uns zur Arbeit verurteilt. Dies sagst du heute, weil du arm bist. Wenn du aber morgen plötzlich sehr reich werden würdest, ganz gleich auf welche Weise, auch wenn du die verwerflichste Handlung begingest, um in den Besitz des Geldes zu kommen, dann hättest du sofort das Recht, nicht arbeiten zu brauchen, in einer Droschke zu fahren, die Bauern zu misshandeln, dir die Töchter der Armen zuzueignen ...und Gott würde dich handeln lassen, wie er jetzt deinen Herrn handeln lässt.

JOHANN: Ja, bei meiner Seele! seit du lesen und schreiben gelernt hast und dich in den Städten aufgehalten, bist du ein so guter Redner geworden, dass du den Rechtsanwalt übertriffst. Und aufrichtig gesagt, du hast da etwas gesagt, das auf mich einen Eindruck machte ... Ich bin jedoch alt und weiß , dass die Welt schlecht ist. Das soll aber für uns kein Grund sein, ebenfalls Schurken zu werden. Schenk mir klaren Wein ein - ist es wahr, dass ihr den Besitzenden ihr Eigentum nehmen wollt?

PETER: Na also, das ist schon etwas anderes! Das gefällt mir schon besser. Wenn du etwas wissen willst, das die Armen angeht, dann frage nicht die Herren danach. Die werden dir niemals die Wahrheit sagen, denn es ist doch klar, dass niemand gegen sich selbst zeugt. Und wenn du wissen willst, was die Sozialisten wollen, dann frage mich und meine Kameraden, wende dich aber nicht an den Pfarrer und an Herrn Antonson. Wenn aber der Pfarrer mit dir über diese Sachen spricht, dann frage ihn, warum du, der du arbeitest, nur ein trockenes Brot hast, während die, welche den ganzen lieben Tag hindurch nichts tun, es sich leisten können, Backhühner zu essen. Frage ihn auch, warum er immer unter den Reichen und niemals unter euch ist, sondern für euch nur Strafpredigen hält, warum er immer den Herren und Behörden recht gibt, warum er weiter Kirchensteuer von den Armen nimmt, sie selbst nichts haben als das nappe Brot, unter dem Vorwand für ihre Seelen zu beten; anstatt dessen würde er besser tun, etwas richtiges zu tun, etwas richtiges zu arbeiten anzufangen, und nicht anderen zur Last zu fallen. Und was Herrn Antonson betrifft, der jung, stark und gebildet ist, und seine Zeit in den Restaurationen zubringt und da kannegießert, so kannst du ihm ruhig sagen, er möge es hübsch bleiben lassen, über uns zu sprechen, er soll lieber aufhören, das Leben eines Tagesdiebes zu führen und lernen, was Arbeit und Sorgen bedeuten.

JOHANN: Damit magst du wohl recht haben, lass uns aber zurückkommen zur Sache. Ist es wahr oder nicht, dass du den Besitzenden das Eigentum nehmen willst?

PETER: Wir wollen gar nichts stehlen, wir wollen aber, das das Volk sich in den Besitz des Eigentums der Reichen setzt und es allen zur Verfügung stellt. Dadurch stiehlt aber das Volk nichts, und niemandes Eigentum, es nimmt nur sein Eigentum zurück.

JOHANN: Was meinst du damit? Gehört etwa das Eigentum der Herren uns?

PETER: Gewiss! Es ist unser Eigentum, es ist aller Eigentum! Wer hat es wohl den Herren überlassen? Wie sind sie in diesen Besitz gekommen? Mit welchem Recht haben sie es sich angeeignet, und mit welchem Recht behalten sie es.

JOHANN: Nun, sie haben es doch von ihren Vätern und Vorvätern geerbt.

PETER: Und wer hat es ihren Vätern und Vorvätern gegeben? Ja, sie haben das glückliche Los gehabt, sie waren stark, haben alles an sich gerissen und ließen andere für sich arbeiten. Nicht zufrieden damit, selbst in Faulheit und im Nichtstun dahinzuleben, den größten Teil der Mitmenschen zu unterdrücken und auszuhungern, haben sie auch das Vermögen, das sie an sich gerissen, ihren Kindern und Kindeskindern… hinterlassen und auf diese Weise die kommenden Geschlechter zur Sklaverei unter ihren Nachfolgern verurteilt. Diese wären übrigens außerstande, das zu tun, was ihre Väter getan, verweichlicht durch den Müßiggang und den Machtmissbrauch, wie sie heute sind ... Und dies nennst du Gerechtigkeit?

JOHANN: Wenn sie sich ihr Vermögen mit Gewalt angeeignet haben, dann allerdings nicht. Aber die Reichen sagen doch, dass ihr Reichtum die Frucht ihrer Arbeit sei, und dies dünkt mich nicht gerecht, jemandem etwas wegzunehmen, was er sich durch Arbeit erworben hat.

PETER: Immer dieselbe Geschichte! Die niemals arbeiten und auch nie gearbeitet haben, sprechen stets im Namen der Arbeit. Sag' mir jedoch, wie die Erde entstanden ist, und all' das, was sich darin befindet, Metalle, Kohle und alles andere?
Ob dies nun von Gott erschaffen worden oder durch das Werk der Natur entstand, wir finden bei unserer Geburt alles so vor in der Welt. Aber gerade deshalb muss dies auch für Alle da sein. Was würdest du sagen, wenn die Herren sich in den Besitz der Luft setzten, um sie für sich zu brauchen und uns nur einen kleinen Teil davon abgeben würden und zwar den schlechtesten und uns dafür bezahlen ließen mit unserer Arbeit. Das wäre genau dasselbe. Der einzige Unterschied ist, dass man schon Mittel gefunden hat, um sich in den Besitz der Erde zu setzen und sie aufzuteilen, während man mit der Luft noch nicht so weit gekommen ist. Du kannst aber sicher sein, wenn es möglich wäre, dann würde es mit der Luft genau so gehen wie mit der Erde.

JOHANN: Das ist wahr. Die Erde scheint mir etwas zu sein, das allen gehören sollte… Es gibt aber Dinge, die nicht von selbst da sind.

PETER: Freilich, es gibt viele Sachen, die erzeugt sind durch die Arbeit der Menschen, und sogar die Erde hatte einen kleinen Wert, wenn sie nicht durch Menschenhände kultiviert werden würde. Aber diese Sachen sollen und müssen im Namen der Gerechtigkeit denen gehören, die arbeiten und die Erde denen, die sie bearbeiten. Durch welches Wunder befindet sich all dies ausgerechnet in in Händen derer, die nicht arbeiten, und niemals gearbeitet haben?

JOHANN: Die Herren sagen doch aber, dass ihre Väter gearbeitet und gespart haben.

PETER: Sie sollten besser sagen, ihre Väter haben andere für sich arbeiten lassen, ohne zu bezahlen, genau so, wie man es heute macht. Die Geschichte zeigt uns, dass das Los der Arbeiter immer schlecht gewesen und elend, dass die, welche gearbeitet, ohne andere zu betrügen, niemals auf einen grünen Zweig gekommen sind, dass sie im Gegenteil fast niemals genug hatten, um sich satt essen zu können.
Sieh dir doch die Dinge an, die sich vor deinen Augen abspielen! Alles das, was die Arbeiter schaffen, landet es nicht in den Händen der Herren, die es sich aneignen? Ein Mann kauft zum Beispiel heute ein Stück unbebautes und sumpfiges Land. Er bezahlt dafür einen Spottpreis. Dann stellt er Arbeiter an, und bezahlt ihnen gerade so viel, dass sie nichts des Hungers sterben, dabei bleibt er ruhig in der Stadt und arbeitet nichts. Nach dem Verlauf einiger Jahre ist aus diesem früher wertlosen und unfruchtbaren Stück Erde ein Garten geworden und hat hundert man mehr Wert, als der Herr früher bezahlte. Die Söhne, die das nun vom Vater erben, sagen natürlich auch, dass sie die Früchte der Arbeit des Vaters genießen, die Söhne derer aber, die wirklich die Erde bebauten, die arbeiteten und entbehrten, müssen auch weiter arbeiten und entbehren. Haltest du dies für recht?

JOHANN: Ja ... wie wahr dies auch sein mag, was du da sagst, es ist immer so auf der Welt gewesen, und dagegen ist auch nichts zu machen.

PETER: Nun gut, ich lasse alles gelten , was zu Gunsten der Herren spricht. Nehmen wir an, alle Reiche sind Söhne von arbeitsamen und sparsamen Vätern, alle Armen dagegen sind Söhne von Faulenzern und Verschwendern. Diese Annahme ist aber ganz wahnsinnig, das verstehst du wohl. Aber wenn dies auch so wäre, ließen sich dadurch auch nur im geringsten die jetzigen schlechten Verhältnisse der Arbeiter und Bauern rechtfertigen?
Wenn du arbeitest, und ich bin ein Faulpelz, dann ist es recht und billig, wenn ich selbst für meine Faulheit zu leiden habe, dass ist doch aber kein Grund, dass mein Sohn, der vielleicht ein guter Arbeiter ist, sich zu Tode arbeiten und halb verhungern muss, damit sein Sohn in Müßiggang und Überfluss leben kann.

JOHANN: Alles das ist sehr schön und gut, und ich will dir nicht widersprechen, aber alles in allem, besitzen doch die Herren die Reichtümer, und wir müssen ihnen dankbar sein , denn ohne sie könnten wir nicht leben.

PETER: Wenn ihnen das Eigentum gehört, dann musst du auch wissen, dass sie es sich mit Macht angeeignet haben, und es dadurch vergrößern, dass sie die Früchte der Arbeit anderer für sich nehmen. Sie können aber ihr Eigentum auf dieselbe Art verlieren, wie sie es sich angeeignet haben. Bis auf den heutigen Tag haben sich die Menschen bekämpft; sie haben versucht, den anderen das Brot vom Munde wegzuziehen, und wenn es glückte, seinen Nächsten zu unterdrücken, der schätzte sich glücklich, ihn als seinen Zugochsen auszunützen. Es ist aber endlich Zeit, diesem Zustand ein Ende zu machen. Der Krieg und die gegenseitige Bekämpfung bringt nichts Gutes mit sich. Die Menschheit hat dabei nichts anderes gewonnen als Elend, Sklaverei, Verbrechen, Prostitution und von Zeit zu Zeit diese großen Aderlässe, die Krieg und Revolution heißen. Wenn sich die Menschen dagegen einig werden, einander zu helfen und zu lieben, dann würde man nicht so viel Elend finden, dann würden nicht mehr einige im Überfluss ersticken, während andere im Elend verkommen.
Ich weiß wohl, dass die Reichen gewohnt sind, zu befehlen und ohne Arbeit zu leben. Sie wollen nichts von einer Veränderung der Lage wissen. Wir müssen danach handeln.
Wenn sie endlich verständen, dass es nicht mehr Hass und Ungleichheit geben darf, sondern dass alle an der Arbeit teilnehmen sollen, um so besser. Wenn sie aber fortfahren wollen, die Früchte der Gewalt und des Diebstahls, von ihren Vätern und ihnen selbst verübt, zu genießen, dann um so schlechter für sie! Mit Gewalt haben sie sich in den Besitz alles ihres Eigentums gesetzt, mit vereinigter Macht werden wir es zurückerobern. Wenn die Armen erst verstehen werden, sich zu vereinigen, dann sind sie die Stärkeren.

JOHANN: Wenn es aber keine Herren mehr gibt, wie soll man sich dann das Leben einrichten, wer wird einem dann Arbeit geben?

PETER: Was für eine Frage! Du siehst doch jeden Tag, wie es geht! Du selbst pflügst, säst, erntest, du drischt, und bringst es in die Scheunen, und du fragst mich, wie man ohne die Herren leben soll? Frage lieber, wie die Herren leben sollen, wenn wir nicht da wären, wir armen dummen Bauern und Industriearbeiter, die wir schwitzen, um sie zu bekleiden und zu ernähren, und die wir ihnen unsere Töchter zu ihrer Belustigung überlassen.
Du bist den Herren dankbar, das sie dich leben lassen? Verstehst du denn nicht, das sie es sind, die von deiner Arbeit leben, und dass jedes Stückchen Brot, das sie verzehren, deinen Kindern entzogen wurde? Dass jedes Geschenk, das sie ihren Geliebten geben, von der Arbeit der Armen stammt, und diese darum hungern, frieren und Elend, ja Prostitution erdulden müssen.
Was erzeugen denn eigentlich diese Herren? Gar nichts! Also - alles was sie verbrauchen, haben sie von denen geraubt, die arbeiten, von den Arbeitern!
Stelle dir mal vor, von morgen ab verschwindet jeder Arbeiter vom Lande. Es gäbe keilten mehr, der den Boden bebaute, und alle würden des Hungers sterben. Wenn der Schuster nicht mehr da wäre, wer sollte dann die Schuhe machen; wenn der Maurer verschwände, dann würde niemand mehr Häuser bauen. Und so geht es weiter ... Wenn die Arbeiter aller Berufe verschwänden, dann würde damit auch die Herstellung aller Gegenstände aufhören, die wir brauchen und verbrauchen.
Wie aber würde es werden, wenn die Herren verschwänden? Es wäre nur eine Erleichterung für die, welche arbeiten.

JOHANN: Ich gebe schon zu, dass wir alles machen und hervorbringen. Was soll ich aber anfangen, um Getreide zu pflanzen, wenn ich keinen Boden habe, kein Vieh und keinen Samen. Du kannst mir glauben, es gibt keinen anderen Ausweg, man ist notwendiger Weise vom Herren abhängig.

PETER: Nun hör mal zu, Johann! Wollen wir uns verstehen oder nicht? Ich glaube, wir waren schon darüber einig, dass man den Herren alles nehmen müsse, um die Arbeit auszuführen zu können, also den Boden, die Geräte, den Samen und alles. Ich weiß wohl, dass , so lange die Werkzeuge und Arbeitsmittel den Herren gehören, ist der Arbeiter immer zur Sklaverei verurteilt, zum Elend und zur Armut. Aber gerade deshalb müssen wir zuerst, wohl gemerkt, die Enteignung vornehmen. Ohne diese kann die Welt niemals verbessert werden.

JOHANN: Na ja, ich muss dir recht geben. Aber was kann ich machen? Alles das ist so neu für mich, das es mir im Kopfe herum geht ... Erkläre mir daher lieber, wie du das alles fertig bringen willst. Was sollen wir mit dem Reichtum machen, den wir von den Reichen nehmen? Wir müssen ihn verteilen nicht wahr?

PETER: Ganz und gar nicht! Sieh mal, du musst begreifen, wenn jemand davon spricht, dass wir alles teilen und uns an die Stelle der Herren setzen wollen, dann ist der Sprecher ein Lügner oder ein Nichtswisser.

JOHANN: Ja, mein Lieber, da begreife ich überhaupt nichts!

PETER: Und doch ist alles so einfach. Wir wollen alles zum gemeinsamen Eigentum machen. Wir gehen von der Voraussetzung aus, dass alle arbeiten müssen, und das alle so gut wie möglich handeln sollen. Man kann in unser Welt nicht leben, ohne zu arbeiten. Wenn ein Mensch nicht selbst arbeitet, dann muss er von der Arbeit anderer leben, und das ist unrecht und erniedrigend. Wenn ich aber sage, dass alle arbeiten müssen, dann meine ich damit alle die, die arbeiten können. Die Gebrechlichen, die Kranken, die Alten müssen von der Gesellschaft unterhalten werden, denn die Menschen haben die Pflicht , darauf zu achten, dass niemand Not leidet. Wir werden übrigens alle alt, und wir können jeden Augenblick gebrechlich werden und arbeitsunfähig und ebenfalls unsere Lieben.
Wenn wir ein wenig nachdenken, dann werden wir bald einsehen, dass alle Reichtümer, das heißt alles, was besteht und was den Menschen nützlich ist, in zwei Teile geteilt werden kann.
Der eine Teil umfasst die Erde, die Maschinen, alle Arbeits- und Transportmittel, alle Rohmaterialien, wie Eisen, Holz, Stein usw. Alles, was zur Arbeit unumgänglich notwendig ist, muss gemeinsames Eigentum Aller werden, um Allen als Arbeitsmittel zu dienen. Über die Art und Weise der Arbeit werden wir später sprechen. Ich glaube, dass es das beste ist, wenn man gemeinsam arbeitet, weil man so am meisten schaffen kann mit dem kleinsten Kraftaufwand. Es ist ja auch selbstverständlich, dass die gemeinsame Arbeit Platz greifen wird, denn wenn jeder für sich selbst arbeiten würde, dann muss man von dem Gebrauch der Maschinen Abstand nehmen, die doch die Arbeit der Menschen vereinfacht und vermindert. Außerdem, wenn die Menschen es nicht mehr nötig haben, den Bissen Brot sich gegenseitig zu entziehen, werden sie auch nicht mehr wie Hund und Katze Zusammenleben, sondern Vergnügen daran finden, zusammen zu sein und Freunde an ihrer Arbeit finden. Es ist aber wesentlich, dass niemand mehr ohne Arbeit leben und also nicht mehr andere zwingen kann, für seine Rechnung zu arbeiten. So etwas kann aber dann nicht mehr Vorkommen, denn wenn jeder Recht und Zugang zum Arbeitsmaterial hat, wird sich natürlich keiner der Herrschaft des anderen unterwerfen wollen.
Der andere Teil der Reichtümer umfasst alle die Dinge, die direkt zur Erhaltung der Menschen dienen, also Nahrung Häuser, Kleidung usw. Alles dies muss man Allen zur Verfügung stellen und damit so haushalten, dass es bis zur nächsten Ernte reicht, oder bis durch die Industrie neue Produkte geschaffen würden. Das aber, was nach der Revolution hergestellt wird, wenn es keine Faulenzer mehr gibt, die von der Arbeit anderer leben, werden die Arbeiter jedes Landes nach ihren Wünschen verteilen. Wenn die Arbeiter gemeinsam arbeiten wollen, dann um so besser.
Man wird dann die Herstellung der Waren so ordnen, dass die Bedürfnisse Aller gestillt werden können, so dass allen die größte Summe Wohlstand, die möglich ist, garantiert werden kann. Wenn man nicht auf diese Weise verfahren will, dann muss man ausrechnen, was jeder schafft, so dass jeder eine so große Menge Verbrauchsartikel bekommen kann, die seiner Arbeit entspricht.
Das ist eine sehr umständliche Aufgabe, die ich fast für unmöglich halte, sodass man lieber dazu kommen wird, alles für gemeinsames Gut zu erklären, wenn man die Schwierigkeiten bei einer solchen Berechnung einsehen wird. Unter allen Umständen muss man aber danach trachten, das Alle das Notwendigste zum Leben bekommen, also Brot, Wohnung, Wasser und dergleichen, abgesehen davon, welche Arbeitsprodukte er herstellt. Ob man nun diese oder eine andere Lösung findet, erben darf niemand etwas. Auch wenn jeder Herr über seine Erzeugnisse ist, und eigene Ersparnisse machen kann, muss nach seinem Tode alles wieder an die Gemeinde fallen.
Die Kinder müssen auf Kosten der Gesamtheit erzogen und unterrichtet werden, so dass sie sich auf das beste am freiesten entwickeln können und sich gediegene Kenntnisse erwerben. Ohne dies wird es weder Gerechtigkeit noch Gleichheit geben. Es ist nicht genug, den Menschen die Erde und Maschinen zu geben, wenn man nicht gleichzeitig dafür sorgt, dass sie sie auch auf die beste Weise bedienen können. Über die Frauen will ich nicht viele Worte verlieren, denn für uns müssen die Frauen mit dem Manne gleichgestellt sein. Und wenn wir von den Menschen sprechen, dann meinen wir alle Menschen, ohne Unterschied des Geschlechtes.

JOHANN: Nun gut! Da ist aber eines noch: den Herren die Reichtümer zu nehmen, die sie von der Armen gestohlen und ausgepresst haben, das kann richtig sein; wenn man aber durch fleißige Arbeit und Sparsamkeit einen Spargroschen beiseite gelegt hat und sich ein Stückchen Land oder eine Werkstatt oder ein Geschäft kauft - mit welchem Recht darf dann einem das weggenommen werden, was wirklich die Frucht seiner Arbeit ist?

PETER: Das ist eine Sache die äußerst selten vorkommt. In unserer Zeit, da die Kapitalisten und die Regierung alles für sich nehmen, ist es so gut wie unmöglich, sich Ersparnisse zu machen. Das musst wohl du am eignen Leibe erfahren haben, der du nach vielen Jahren harter Arbeit eben so arm bist wie früher. Übrigens habe ich ja gesagt, dass jeder das Recht zu den Arbeitswerkzeugen und dem Rohmaterial hat. Wenn also ein Mann gerne ein Stück Erde haben will, dann kann er sie ganz ruhig behalten, wenn er sie nur mit seinen eignen Händen bearbeitet, und man wird ihm noch dazu bessere Arbeitsgeräte geben, Dünger und alles, was notwendig ist, um den Boden auf die beste Weise bearbeiten zu können. Es würde sich freilich besser machen, wenn man alles zusammenlegt und es gemeinsam bearbeitet, man soll aber niemanden dazu zwingen, denn das Interesse des Einzelnen fällt mit dem Interesse des Anderen zusammen, und das leitet dann dazu, die Grundzüge des Kommunismus anzuwenden, nämlich alles Eigentum als gemeinsam zu erklären und alle Arbeit gemeinsam auszuführen. Die Arbeit wird dadurch viel fruchtbringender werden und viel mehr abwerfen, als wenn jeder für sich selbst allein arbeitet.

JOHANN: Aha! die Maschinen ... Diese sollte man alle verbrennen! Gerade diese nehmen den armen Arbeitern die Arbeit weg. Hier bei uns ist es jedenfalls so, jedes Mal, wenn eine neue Maschine kommt, dann wird ein Teil von uns armen Teufeln arbeitslos. In den Städten muss das noch viel schlimmer sein. Wenn es keine Maschinen gäbe, dann hätten die Herren besseren Gebrauch für unsere Arbeit, und wir könnten ein wenig besser leben.

PETER: Da hast du freilich recht, Johann, dass die Maschinen eine der Ursachen der Armut und der Arbeitslosigkeit sind, aber doch nur unter der Voraussetzung, dass sie den Reichen gehören. Wenn sie den Arbeitern gehörten, dann wäre dies eine andere Sache. Dann wären sie eines der wesentlichsten Mittel des Wohlstands und des Glücks. In Wirklichkeit machen die Maschinen nichts anderes, als für uns zu arbeiten und zwar viel schneller als wir. Gerade dank der Maschinen werden die Menschen in Zukunft es nicht nötig haben, so lange zu arbeiten, um ihre Bedürfnisse zu decken, sie werden nicht mehr gezwungen sein, so schwer zu arbeiten und ihre körperlichen Kräfte gänzlich zu erschöpfen. Wenn man bei allen Arbeiten Maschinen anwendet und diese allen gehören würden, dann wären einige Stunden leichter und angenehmer Arbeit genügend, um die Bedürfnisse Aller zu befriedigen, und die Menschen hätten Zeit, sich zu entwickeln, sich zu zerstreuen, Freundschaftsverbindungen anzuknüpfen, mit einem Worte, sich des Lebens zu freuen. Man soll deshalb nicht die Maschinen zerstören, sondern sich in den Besitz derselben setzen. In unseren Händen sollen sie ein Werkzeug des Reichtums und der Freiheit werden.

JOHANN: Ja, aber wenn alles so gut durch solche Einrichtungen gehen soll, dann ist es notwendig, dass jeder arbeitet und mit gutem Willen sein bestes tut, nicht wahr?

PETER: Allerdings.

JOHANN: Wenn es aber nun solche gibt, die leben wollen, ohne zu arbeiten? Die Arbeit ermüdet, ermüdet sogar die Hunde.

PETER: Du verwechselst die heutige Gesellschaft mit der von morgen, wie sie nach der Revolution aussehen wird. Du sagst, dass die Ermüdung nicht einmal den Hunden gefällt. Richtig. Kannst du aber den ganzen Tag untätig sein?

JOHANN: Ich nicht, weil ich an die Arbeit gewöhnt bin. Wenn ich nichts zu tun habe, dann kommt es mir vor, als ob mir die Hände im Wege wären. Es gibt aber so viele, die ihre Zeit im Wirtshaus verbringen, Karten spielen und herumlungern, ohne was zu tun.

PETER: Nun gut, nach der Revolution aber ändert sich das. Jetzt ist die Arbeit schwer, schlecht bezahlt und verachtet. Jetzt müssen die, welche arbeiten, sich zu Tode schinden, vor Hunger vergehen und es sich gefallen lassen, wie Zugochsen behandelt zu werden. Die, welche arbeiten, haben nichts zu hoffen. Sie enden oft im Armenhaus, wenn nicht gar im Gefängnis. Sie haben keine Zeit, sich mit ihrer Familie zu beschäftigen, keine Gelegenheit, das Leben zu genießen, haben aber tagtäglich unter schlechter Behandlung und Demütigung aller Art zu leiden. Die aber nicht arbeiten, können alle Lebensgüter genießen. Braucht man sich da zu wundern, dass die Menschen keine Lust zur Arbeit haben und versuchen, sich der Arbeit zu entziehen?
Wenn man dagegen unter guten Bedingungen nur kurze Zeit zu arbeiten braucht, wenn man weiß, dass man für das Wohlergehen der Seinen und der gesamten Menschheit arbeitet, wenn die Arbeit nicht mehr verachtet ist, sondern eine Tätigkeit, bei welcher alle Teilnehmen müssen, um in der Gesellschaft geachtet zu werden, wer wird dann darauf verzichten wollen, geliebt und nützlich zu sein.
Außerdem muss man auch daran denken, dass die öffentliche Meinung es nicht unterlassen wird, die Faulenzerei zu verurteilen, wenn die Arbeit die vornehmste Bedingung für den Bestand der Gesellschaft ist. Denk' doch nur mal daran, dass du dich mit andern Menschen vereinigst, um gemeinsam eine Arbeit auszuführen, deren Gewinn ihr in gleiche Teile teilt. Freilich werdet ihr auf die Rücksicht nehmen, die schwach oder weniger geschickt sind, wenn aber jemand unter euch ein geschickter und tüchtiger Arbeiter wäre und sich dennoch faul zeigen würde und versuchte, sich der Arbeit zu entziehen, dann würdet ihr ihm doch das Leben so sauer machen, dass er entweder von euch geht oder auch seine Arbeit tut, wie ihr andern alle. Und ebenso wird es in der Gesellschaft im großen gehen.
Wenn es aber wirklich Faulpelze gäbe, die nicht zur Arbeit zu bewegen wären, dann muss man sie eben aus der Gemeinde ausschließen. Und wenn sie dann nicht das zur Aufrechterhaltung des Lebens haben werden, dann werden sie sich wohl oder übel bequemen müssen, wie alle anderen zu arbeiten.

JOHANN: Du bringst es bald so weit, mich zu überzeugen. Sag' mir aber noch - sollen alle Menschen gezwungen sein, den Boden zu bebauen?

PETER: Nein, warum nicht gar! Wir Menschen brauchen nicht nur Brot und Fleisch und die Früchte der Erde. Wir brauchen auch Häuser, Kleider-, Bücher, also alles, was die Arbeiter der verschiedenen Berufe herstellen; auch ist es nicht möglich, dass ein Mensch alles, was zu seinen Bedürfnissen gehört, selbst herstellt. Schon allein, um die Erde zu bebauen, braucht man den Schmied, den Stellmacher, um die Geräte herzustellen, den Bergmann, das Erz zu schürfen, den Arbeiter bei den Hochöfen, der das Eisen von dem Erz befreit; man braucht den Bauarbeiter, der die Häuser baut usw. Es ist deshalb nicht notwendig, dass alle die Erde bebauen, sondern dass alle eine nützliche Arbeit leisten.
Die verschiedenen Berufe lassen es jedem frei, sich die Arbeit zu wählen, die ihm am besten passt; die Arbeit ist dann nichts anderes als eine Zerstreuung für die Menschen, eine Quelle der Freude.

JOHANN: Jeder soll also die Freiheit haben, einen Beruf zu wählen, den er will?

PETER: Selbstverständlich! Freilich muss man darauf Rücksicht nehmen, dass die Arbeit sich nicht in einem Berufe auftürmt, während sie in anderen fehlt. Aber alles das lässt sich sehr gut ordnen.

JOHANN: Du sagst, das alles sich ordnen wird, ich aber glaube im Gegenteil, niemand wird die schwerste Arbeit tun wollen. Alle wollen dann Rechtsanwälte und Lehrer werden. Wer wird dann die Erde bearbeiten? Wer will sein Leben und seine Gesundheit in den Gruben riskieren?

PETER: Na, weißt du, die Rechtsanwälte wollen wir ganz aus dem Spiel lassen, denn diese sind ebenso wie die Priester ein Geschwür in der Gesellschaft, welche die kommende Revolution gänzlich ausmerzen wird. Halten wir uns lieber an die nützliche Arbeit und nicht an die, welche an dem Nächsten schmarotzert.
Heutzutage ziehen wir diese oder jene Arbeit vor, nicht etwa, weil sie uns besser gefällt, sondern weil sie leichter zu erlernen ist,weil wir dadurch mehr zu verdienen hoffen, weil wir in diesem oder jenem Berufe eher Arbeit zu finden glauben und erst in letzter Linie, weil darin zu arbeiten uns leichter fällt. Die Wahl des Berufes wird uns in Wirklichkeit von der Stellung, die wir durch Geburt einnehmen, vorgeschrieben, durch reine Zufälligkeiten oder durch soziale Vorurteile. Die Arbeit eines Bauern oder Bauernknechtes ist heute zum Beispiel eine Beschäftigung, die dem städtischen Arbeiter, sogar dem ärmsten, nicht behagt. Und doch hat diese Arbeit nichts Abstoßendes an sich, und das Leben auf dem Lande ist nicht ohne Behaglichkeiten. Das kommt aber daher, dass die Arbeiter auf dem Lande sich zu Tode schinden müssen, härter als andere Arbeiter arbeiten und dennoch schlechter leben, oft sogar schlechter als die Pferde der Herren; dabei wird ihnen eine solche Behandlung zu teil, dass der verkommenste Landstreicher sich beleidigt fühlt, wenn man ihn einen Bauer nennt. Wie kann man da fordern, dass die Menschen den Boden mit Freude bearbeiten sollen? Sogar wir, die auf dem Lande geboren, verlassenes, sobald wir nur Gelegenheit haben. Denn so wie es jetzt ist, geht es uns überall besser, und wir sind auch mehr geachtet. Wer von uns würde aber wohl das Land verlassen, wenn er für seine eigne Rechnung arbeitete und dabei Wohlstand, Respekt und Freiheit hätte?
Und so verhält es sich mit allen andern Berufen, denn heute ist die Gesellschaft so eingerichtet, dass, je nützlicher und schwerer eine Arbeit ist, desto schlechter wird sie bezahlt, desto mehr verachtet und desto schlechter sind die Arbeitsbedingungen, Geh' zum Beispiel in eine Goldschmiedewerkstatt, da wirst du finden, dass die Lokale, in denen man arbeitet, im Verhältnis zu den Löchern, in denen wir wohnen, viel schöner sind. Sie sind luftiger und im Winter schön geheizt. Die Arbeitszeit ist nicht so lang, und obwohl der Unternehmer den größten Teil der Produkte, die die Arbeiter herstellen, für sich behält, so sind diese noch im Verhältnis zu den anderen Arbeitern gut bezahlt. Der Abend gehört ihnen, sie legen ihren Arbeitskittel ab und gehen, wohin es ihnen beliebt, ohne dass irgend jemand sie beschimpft oder sie mit Verachtung betrachtet. Geh’ dagegen in eine Grube, und du wirst arme Teufel sehen, die unter der Erde in einer stickenden Atmosphäre arbeiten, und bei schlechter Bezahlung in einigen Jahren um ihre Gesundheit kommen. Ist es wunderlich, dass man es vorzieht, Goldarbeiter zu sein, anstatt Grubenarbeiter.
Denk nun gar an die, welche andre Werkzeuge anwenden, zum Beispiel die Feder. Da schreibt ein Mann in irgend einer Zeitung schlechte Artikel und verdient zehnmal so viel wie der Landarbeiter, und dabei ist er in der Gesellschaft viel mehr geachtet als ein ehrlicher Arbeiter.
Die Zeitungsschreiber arbeiten in eleganten Lokalen, die Schuhmacher in schmutzigen Löchern. Die Ingenieure, Ärzte, Künstler, Professoren, - wenn sie arbeiten müssen - leben wie die Herren, wenn sie ihren Beruf verstehen; die Maurer aber, die Drucker und viele andere Arbeiter führen ein Hungerleben bis sie sterben. Ich will damit nicht sagen, dass nur die körperliche Arbeit nützlich ist, denn Studien sind notwendig und in der Tat das einzige Mittel zur Überwindung der Natur, zur Einführung der Zivilisation, zur Eroberung von Freiheit und Wohlstand. Die Ärzte, Chemiker, Wissenschaftslehrer sind in der heutigen Gesellschaft ebenso nützlich und notwendig wie der Landarbeiter. Ich will aber sagen, dass alle nützliche Arbeit gleich hoch bewertet werden soll und so geordnet, dass die, welche sie ausführen, Befriedigung in ihrer Tätigkeit finden.

JOHANN: Wie du aber selbst sagst, Peter, die geistige Arbeit ist an und für sich eine Befriedigung und gibt über die Unwissenden Macht, es ist also ganz klar, dass alle studieren wollen.

PETER: Nun gut, lass alle studieren. Denn gleichzeitig mit dem Studieren können sie eine körperliche Arbeit ausführen. Alle müssen mit den Händen und mit dem Verstand arbeiten. Das bekommt den Menschen nur gut, wenn sie ihre körperlichen und geistigen Kräfte gebrauchen. Wer einen entwickelten Geist hat und zu denken gewohnt ist, wird bei seiner Arbeit größere Fortschritte machen, und wer kräftig gebaut und körperlich stark entwickelt ist, was man durch eine, nach gesundheitlichen Forderungen angepasster körperlicher Arbeit erreichen kann, der hat auch einen klaren Verstand. Das eine ergänzt das andere.
Und da übrigens beide Arten der Arbeit notwendig sind, und die eine Arbeit angenehmer als die andere ist, die, welche die angenehme Arbeit verrichten aber mehr geachtet sind, so ist es doch nicht gerecht, dass die Menschheit dazu verurteilt sein soll, ausschließlich menschenunwürdige körperliche Arbeit zu verrichten, damit einige Wenige das ausschließliche Recht haben sollen, sich Wissen und infolgedessen auch Macht anzueignen.

JOHANN: Das gebe ich dir schon zu. Aber es gibt ja auch körperliche Arbeit leichter und schwerer Art. Wer wird zum Beispiel Grubenarbeiter und wer Kanalreiniger sein wollen?

PETER: Wenn du wüsstest,mein lieber Johann, welche Entdeckungen man gemacht hat und noch jeden Tag macht, dann würdest du verstehen, dass sogar körperliche Arbeit unter solchen Verhältnissen ausgeführt werden kann, dass sie gar nicht mehr abschreckend wirkt, wenn die Organisierung der Arbeit in den Händen derer liegen würde, die nicht arbeiten und deshalb kein Interesse daran haben, die Arbeit behaglicher zu machen. Und wenn das schon heute möglich ist, dann kann man sich leicht vorstellen, dass es in der Zukunft noch ganz anders werden muss, da alle arbeiten werden. Da werden alle Bestrebungen sich vereinen, die Arbeit mit den Hilfsmitteln der Wissenschaft und Technik so angenehm wie möglich zu gestalten.
Aber freilich wird es immer Arbeit geben, die mehr oder weniger schwer, mehr oder weniger angenehm ist. Freilich wird es immer schwerere und leichtere, angenehmere und unangenehmere Arbeit geben. Man wird aber diese Verschiedenheiten auszugleichen versuchen durch beispielsweise verschiedene Arbeitszeit oder andere Maßregeln. Auch wird mit der neuen Gesellschaft ein neuer Geist kommen, der der Brüderlichkeit entspricht, die man heute in der Familie findet; dies wird sich aber dahin auswirken, dass man gar nicht daran denken wird, sich der körperlichen, schweren Arbeit zu entziehen, sondern man wird freiwillig den anderen in der Ausführung der Arbeit zu übertreffen suchen.

JOHANN: Vielleicht hast du recht. Wenn du aber nicht recht hast, wenn all dies nicht eintritt, was sollen wir dann machen?

PETER: Nun gut, wenn es trotz alledem noch notwendige Arbeit geben sollte, die niemand ausführen wollte, dann müssen wir alle sie eben tun. Ihr würdet dann vielleicht jeder nach der Reihe einen Tag im Monat daran arbeiten, eine Woche im Jahre, oder wie man sonst am besten und praktischsten einig werden kann. Du kannst aber beruhigt sein, wenn eine Sache für alle notwendig ist, wird man schon einen Ausweg finden, wie sie auszuführen ist. Ist es vielleicht nicht so, dass wir uns darein finden, Soldaten zu sein, zum Wohlgefallen anderer? Ist es vielleicht nicht wahr, dass wir uns mit Menschen herumschlagen, die wir gar nicht kennen, und die uns niemals etwas böses getan haben, ja sogar mitunter unsre eignen Brüder und Freunde sind? Ich bin überzeugt, dass es leichter ist, eine Arbeit auszuführen, die für uns alle und für die Wohlfahrt aller notwendig ist.

JOHANN: Du beginnst mich wirklich zu über zeugen. Ich verstehe jedoch das Alles noch nicht ganz gut. Es ist ein großes Unternehmen, den Herren das Eigentum zu nehmen. Ich weiß nicht - aber gibt es kein anderes Mittel?

PETER: Was kann man sonst machen? So lange das Eigentum den Reichen verbleibt, sind sie es, die befehlen, und sie sorgen nur für ihre Vorteile, ohne sich mit unseren zu beschäftigen, wie es immer gewesen ist. Aber warum willst du das Eigentum nicht den Herren nehmen? Glaubst du vielleicht, es wäre eine ungerechte oder unrichtige Handlung?

JOHANN: Nein, nachdem, was du mir alles gesagt hast, nicht. Ich glaube im Gegenteil, es ist eine gerechte Sache, da dadurch, dass wir uns in den Besitz des Eigentums setzen, das uns gehört, wir uns gleichzeitig von der mörderischen Ausbeutung befreien. Und um so mehr, da wir alles zum gemeinsamen Eigentum machen und alles zur Verfügung und zum Glücke Aller stellen. Wir behalten es ja nicht für uns selbst, nicht wahr?

PETER: Nein. Und wenn wir die Sache so recht betrachten, werden wir finden, dass auch die Herren nicht zu kurz dabei kommen. Freilich, sie müssen aufhören, zu befehlen, hochmütig aufzutreten und das Leben eines Tagesdiebes zu führen; sie müssen sogar an der Arbeit teilnehmen; wenn aber die Arbeit im großen Stile mit der Hilfe der Maschinen ausgeführt und die allergrößte Rücksicht auf die Arbeiter genommen wird, so vermindert sich die ganze Sache soweit, dass sie ebenfalls ein angenehmes Leben, nur unter neuen Verhältnissen führen.

JOHANN: Ja, all’ dies mag wahr sein? Aber könnte man nicht versuchen, es nach und nach zu verwirklichen durch gegenseitige Vereinbarungen? Könnte man zum Beispiel nicht denen das Eigentum lassen, die es besitzen, unter der Bedingung, dass sie die Löhne erhöhen und uns wie Menschen behandeln? Da würden wir so langsam etwas beiseite legen können, ein Stück Erde kaufen, und wenn wir alle Eigentümer geworden sind, dann können wir, wie ihr sagt, alles Zusammenlegen zu gemeinsamen Eigentum.

PETER: Denk’ nur richtig nach: es gibt nur ein Mittel, alles auf freundschaftlicher Weise zu ordnen, und das ist, dass die Herren freiwillig von ihrem Besitze abstehen. Ihr wisst doch aber sehr gut, dass sie nicht daran denken.
Solange das persönliche Eigentum besteht, das heißt, solange der Boden dem Peter und dem Paul gehört, anstatt allen zu gehören, wird es immer Elend geben und es wird noch immer schlechter. So lange es persönliches Eigentum gibt, wird jeder versuchen, das Wasser zu seiner Mühle zu ziehen, und die Eigentümer versuchen nicht nur ihren Arbeitern so wenig wie möglich zu bezahlen, sie bekriegen sich auch gegenseitig. Jeder versucht, seine Erzeugnisse so teuer wie möglich zu verkaufen und die Waren so billig wie möglich zu kaufen. Wohin soll das führen? Das führt dahin, dass große Fabrikanten, die großen Gutsbesitzer, die großen Handelshäuser, die in großem Maße fabrizieren und verkaufen können, die sich Maschinen anschaffen und auf jede günstige Lage auf dem Markt warten können, bis sie die höchsten Preise erzielen, ja manchmal sogar mit Verlust verkaufen, die kleinen Handwerker und Kaufleute ruinieren, die dann schließlich als Lohnarbeiter sich verdingen müssen. Wir können es jeden Tag sehen, dass die kleinen Bauern, die weder ihre Hypotheken, noch die Steuern bezahlen können, gezwungen sind, ihr Stückchen Land an den Gutsbesitzer zu verkaufen. Die allgemeine Konkurrenz bringt es sogar so weit, dass ein Großfabrikant, der gutwillig seinen Arbeitern einen besseren Lohn zahlen möchte, nicht dazu in der Lage ist. Seine Unkosten würden dann so groß werden, dass er der Konkurrenz nicht stand halten könnte und pleite ginge.

JOHANN: Was soll man dann machen?

PETER: Ich hab dir ja schon gesagt, was man machen soll? Man muss das ganze Eigentum zum Gesamteigentum machen.

JOHANN: Aber hör’ mal — wenn man versuchen würde, es mit den Herren auf die Weise zu ordnen, dass sie den Boden und das Kapital gäben, wir die Arbeit leisteten und der Verdienst dann geteilt wird. Was meinst du dazu! ?

PETER: Erstens muss ich dir sagen, wenn du auch teilen wolltest, so will es doch dein Herr nicht. Man muss ihn dazu zwingen. Warum soll man sich dann damit begnügen, etwas nur halb zu machen und sich mit Einrichtungen abfinden, die die Ungerechtigkeiten und das Schmarotzertum aufrechterhalten und die Vermehrung der Warenerzeugung verhindert? Und außerdem, mit welchem Recht dürfen gewisse Menschen sich der Arbeit enthalten und die Hälfte von der Arbeit der Arbeiter an sich reißen? In diesen Zusammenhang will ich auf einen Einwand antworten, den man uns oft macht.
Es gibt Menschen, die von den Reichen bezahlt werden, um zu verkünden, dass diese ein Recht haben, auf Kosten der Arbeit anderer reich zu sein, diese Menschen heißt man NATIONALÖKONOMEN . Diese und alle Wissenschaftsmänner mit vollem Magen erklären uns oft, dass die Armut nicht daher kommt, dass die Überklassen sich den Gewinn der Arbeit anderer aneignet, sondern weil Mangel an Naturereignissen herrscht. Nach ihren Aussagen sind die natürlichen Reichtümer gänzlich unzugänglich, wenn man sie unter alle verteilen würde. Sie sagen das deshalb, um den Schlusssatz zu ziehen, dass die Armut etwas Unausweichliches ist, wogegen es nicht der Mühe lohnt, zu kämpfen. Das sind aber dieselben Mätzchen wie die, mit denen uns die Priester vollpfropfen, wenn sie uns ermahnen, wir wollen geduldig sein, weil es Gottes Wille ist, das es so und nicht anders ist. Daran ist aber kein wahres Wort! Die Erzeugnisse der Erde und der Industrie sind sogar schon heute genügend für den Wohlstand für Alle. Und es ist nur die Schuld der Ausbeuter, dass es heute nicht so ist, denn diese denken an nichts anderes als daran, sich möglichst viel zuzuschanzen. Man treibt es sogar so weit, dass man große Massen von Waren vernichtet, nur damit die Preise nicht fallen. Und wir können ja selber sehen, das große Strecken Landes unbebaut liegen, während es Massen von erwerbslosen Arbeitern gibt.
Wenn das Volk nicht zu Bettlern werden will, die an den den Türen der Reichen oder bei den Behörden um ein Stück Brot betteln, dann gibt es nur eine Rettung: sich in den Besitz der Erde und der Fabriken zu setzen und für eigne Rechnung zu arbeiten.

JOHANN: Wie wäre es dann aber, wenn die Behörden gute Gesetze gäben, die die Reichen verhinderten, die Armen in Not und Elend zu stürzen?

PETER: Wir kommen immer auf denselben Punkt zurück.. Die Regierungen sind aus den Leuten von den reichen Klassen zusammengesetzt, und man kann doch nicht annehmen, dass diese Herren Gesetze gegen sich selbst machen werden. Und wenn auch einmal die Armen an die Regierung kämen, das wäre doch für uns ein Grund, die Reichen in dem Besitze der Mittel zu lassen, wodurch sie uns von den Reichtümern ausschließen. Du kannst sicher sein, solange man den Reichtum und die Armut bestehen lässt, können die Armen sich wohl mal für eine kurze Zeit Geltung verschaffen, es wird aber immer mit dem Siege der Reichen enden. Deshalb muss man einen solchen Augenblick wahrnehmen, wenn das Volk am stärksten ist, und den Vorrang der Reichen aufheben, ihnen sofort ihre Besitzungen nehmen, damit sie nicht die Mittel in der Hand behalten, wodurch sie wieder die alten Zustände herstellen können.

JOHANN: Ja, ja, ich verstehe schon. Man muss eine gute Republik errichten, die Menschen alle gleichstellen, und dann bekämen endlich die Arbeitenden das ihre, während den Müßiggängern der Magen knurren wird. Ah, nur schade, dass man so alt ist! Ihr Jungen seid besser daran, ihr werdet noch einmal glücklichere Zeiten erleben.

PETER: Immer langsam voran, lieber Freund! Wenn du jetzt von einer Republik sprichst, dann meinst du eine soziale Revolution. Du drückst dich aber schlecht aus, denn die Republik ist gar nicht das, was du eingeführt haben möchtest. Man muss daran denken, dass eine republikanische Regierung eine Regierung ist, wie alle anderen. Der Unterschied ist nur der, das anstelle eines Königs ein Präsident sitzt, der mit den Ministern zusammen dieselbe Macht hat, wie eine königliche Regierung. Frankreich, Deutschland, Amerika und viele andere Länder sind Republiken, sind aber dort die Arbeiter nicht auf dieselbe Weise ausgebeutet und unterernährt, wie wo anders? Zwingt man sie nicht wie in anderen Ländern Soldaten zu werden und im Kriege Kanonenfutter zu sein?
Solange es Reiche und Arme gibt, werden die Reichen immer den Armen kommandieren. Ob wir nun eine Republik oder eine Monarchie haben, das persönliche Eigentum besteht weiter, und die es besitzen, leben ein flottes Leben, während die Nichtbesitzenden, die den ganzen Tag schuften und sich abrackern müssen und dabei alle Reichtümer erschaffen ständig mit dem Hungertod vor Augen leben.

JOHANN: Wie soll ich aber das verstehen? Ich glaubte auch, dass Republik Gleichheit bedeutet! Wir müssen doch aber in jedem Falle eine Regierung haben, denn wie würde denn das gehen, wenn es nicht solche gäbe, die alles in der Gesellschaft ordnen? Das würde überhaupt nicht gehen! Es muss doch jemand da sein, der befiehlt und die anderen müssen gehorchen.

PETER: ... Ist das wirklich so notwendig, dass einem immer kommandiert wird? Warum können wir nicht alles selbst ordnen und unsere Interessen selbst wahrnehmen?
Die Regierenden suchen immer Vorteile für sich. Sie betrügen immer das Volk, entweder aus Charaktermangel oder aus Unwissenheit. Die Macht bläst auch bei den Besten den Hochmut auf.
Außerdem aber - und das ist einer der wichtigsten Gründe, weshalb man keine Obrigkeit anerkennen soll - die Menschen dürfen sich eben nicht mehr wie eine Herde Schafe leiten lassen, sie müssen sich daran gewöhnen , frei zu sein und seine Angelegenheiten selbstständig zu verwalten, muss es selbst handeln und sich ihrer eigenen Würde und Macht bewusst werden. Um das Volk zur Selbstständigkeit zu erziehen, um es daran zu gewöhnen, frei zu sein und seine Angelegenheiten selbstständig zu verwalten, muss es selbst handeln, die Verantwortlichkeit fühlen und für seine Entscheidungen selbst einstehen. Freilich kann man sich dabei betrügen und falsch handeln, aber man sieht dann die Folgen davon, man versteht, dass es schlecht war und zieht daraus für die Zukunft eine Lehre. Wenn ein Kind gehen lernt, muss man es selbst gehen lassen und nicht dadurch erschrecken, es könne fallen und sich im Anfang schlagen.

JOHANN: Ja, wenn aber ein Kind gehen lernen soll, dann muss es eine gewisse Kraft in den Beinen haben, sonst muss es auf den Knien seiner Mutter bleiben.

PETER: Ganz richtig, aber die Regierungen gleichen in keiner Hinsicht einer Mutter und geben dem Volke keine Stärke. Die gesellschaftlichen Fortschritte entwickeln sich in Wirklichkeit gegen oder trotz der Regierungen. Sie erlassen allerhöchstens Gesetze darüber was schon lange vorher bestand oder schon in so hohem Masse der Volkswille war, dass man ihm nicht mehr widerstehen kann. Es gibt fortgeschrittene und unterentwickeltere Völker, aber auch das barbarischste Volk wird ohne Regierung immer besser leben und glücklicher als mit einer.
Die Ausübung der Macht verdirbt die besten Menschen. Was wird geschehen, wenn man die besten Männer in die Regierung einsetzt? Sie werden sich durch ihre Lebensgewohnheiten bald von den anderen absondern und die Fühlung mit dem Volke verlieren, sodass sie zuguterletzt das Volk nicht verstehen, dessen Angelegenheiten sie wahrnehmen sollen. Gezwungen, sich mit politischen Fragen zu beschäftigen, durch ihre Machtstellung und den Mangel an Kontrolle verdorben, von dem Tätigkeitsgebiet, wo sie geschickt wirken konnten, entfernt und dazu gezwungen, Gesetze über Sachen zu stiften, von denen sie bisher noch nichts gehört hatten, glauben sie schließlich, Übermenschen einer anderen Rasse zu sein als das Volk selbst, und sie werden eine Kaste von Menschen, die sich nur damit beschäftigen, das Volk zu betrügen und es in den Zügeln zu halten. Ist es da nicht viel besser, wir befreien uns von diesen Herren und nehmen unsere Angelegenheiten in unsere eignen Hände?

JOHANN: Das kann schon sein. Was aber soll man mit den schlechten Menschen, den Dieben und Banditen machen?

PETER: Erstens - wenn man die Armut und die Unwissenheit ausgemerzt hat, dann wird es derartige Leute nicht mehr geben. Wenn aber noch ein Teil übrig wäre, würde dies etwa ein Grund sein, die Regierungen und die Polizeieinrichtungen aufrecht zu erhalten? Können wir sie nicht selbst zur Vernunft bringen? Wir brauchen sie nur nicht zu misshandeln, wie man es heutzutage mit Schuldigen und Unschuldigen macht, sondern wir werden sie in eine solche Lage versetzen, dass sie keine Gelegenheit mehr haben, anderen, zu schaden und wir werden alles tun, um sie auf einen anderen Weg zu bringen.

JOHANN: Wenn wir also den Sozialismus haben, dann werden alle glücklich und zufrieden sein, die Armut, der Hass, der Neid, die Prostitution, die Kriege und alle anderen Ungerechtigkeiten werden aufgehört haben.

PETER: Ich weiß nicht, wie weit die Menschheit sich zur Vollkommenheit entwickeln kann, ich bin aber überzeugt, dass man sehr weit kommen wird. Übrigens muss man versuchen, all dies zu verändern, wie es eben geht und der Fortschritt, den wir machen, wird allen zum Vorteile gereichen und nicht nur einer kleinen Schicht wie heute.

JOHANN: Wann aber kommt diese Revolution? Ich bin alt, und da ich jetzt nun weiß, dass die Welt immer so bleiben wird, würde ich es beklagen, wenn ich den Tag der Gerechtigkeit nicht mehr sehen könnte.

PETER: Wann sie kommt! Ja, das weiß ich alleine nicht. Das kommt ausschließlich auf uns selbst an. Je mehr wir arbeiten, um dem Volke die Augen zu Öffnen, desto eher kommt der Tag. Legen wir uns aber auf die faule Bank und glauben, die neue Gesellschaft wird wie eine reife Frucht vom Baum fallen, dann kann es Jahrhunderte dauern, ehe sie Wirklichkeit wird.

JOHANN: Ganz recht, ich verstehe dich. Aber da wir nun zusammen sprechen, dann sage mir doch auch gleich, was die verschiedenen Parteien wollen, die Sozialisten, die Internationalisten, Anarchisten, Syndikalisten und Sozialdemokraten?

PETER: Gut, dass du fragst, Johann, denn man vermisst alle diese immer. Sozialisten sind alle, welche glauben, dass die Armut die hauptsächlichste Ursache des sozialen Elends ist, und solange man nicht die Armut abschafft, kann man auch nicht die Unwissenheit, die Sklaverei, die Prostitution oder die sozialen Ungleichheiten in der Gesellschaft, sowie all die Übel, die das Volk in der schrecklichen Lage halten, in der es sich befindet, abschaffen. Die Sozialisten meinen, das Elend komme von den Verhältnissen, dass die Erde und alle Rohmaterialien, die Maschinen und Werkzeuge einer kleinen Anzahl Menschen gehören, die dadurch über die arbeitende Klasse herrschen. Die Sozialisten meinen, dass man durch die Aufhebung des Privateigentums, also der Ursache der Armut, auch die Armut selbst abschaffen kann, da diese eine Folge der Eigentumsverhältnisse ist. Und dieses Privateigentum soll und muss abgeschafft werden, denn die Herstellung und die Verteilung der erzeugten Reichtümer muss mit dem Besten Aller vor Augen geordnet werden, ohne Rücksicht auf das sogenannte "Recht”, das die Reichen zum Eigentum zu haben glauben.
Du siehst also, die Bezeichnung Sozialisten kann auf alle angewandt werden, die der Meinung sind, dass die sozialen Reichtümer allen zugute kommen sollen, und dass es nicht mehr Arme und Reiche, nicht mehr Eigentümer und Besitzlose, nicht mehr Arbeiter und Herren geben soll.
Es ist noch gar nicht solange her, da genügte es, sich Sozialist zu nennen, um von den Herren gehasst und verfolgt zu werden, die tausendmal lieber eine Million Mörder als einen Sozialisten sahen. Als aber die Bürgerschaft sah, dass der Sozialismus sich trotz aller Verfolgungen durchsetzte, und all ihre Lügen nichts nutzten, versuchten sie, die Dinge aufs schwierigste zu verwickeln, um die Arbeiter zum Narren zu halten. Und es standen viele unter ihnen auf, die erklärten, dass auch sie Sozialisten wären, dass sie das Wohl des Volkes und die Armut abschaffen oder mildern wollten. So kannst du auch heute unter den Republikanern, den Deutschnationalen, den Priestern, den Herrschenden und übrigens fast überall Personen treffen, die sich Sozialisten nennen; ihr Sozialismus besteht aber darin, Reichtagsabgeordnete zu werden, dem Volke schöne Versprechungen zu geben, die sie niemals einhalten.
Wenn diese nun kommen und sagen, sie seien Sozialisten, dann frage sie, ob sie mit dabei wären, das Privateigentum abzuschaffen. Wenn ja, dann sind es unsere Brüder, wenn nein, dann betrachte sie als unsere Feinde.

JOHANN: Du bist also Sozialist, nach alledem, was du mir sagtest. Was meint man aber mit Anarchisten und Syndikalisten?

PETER: Anarchismus bedeutet HERRSCHAFTSLOSIGKEIT: anders ausgedrückt OHNE REGIERUNG. Ich habe dir bereits gesagt, dass die Regierung eine Einrichtung ist, die zum Schutze der Besitzenden geschaffen wurde, und wir tun viel besser unsre Angelegenheiten OHNE eine Regierung, als MIT einer. Anstatt Reichstagsabgeordnete und Stadtverordnete zu wählen, die nur Gesetze und Dekrete erlassen, denen wir uns unterwerfen müssen, und durch Gewalt dazu gezwungen werden, können wir selbst unsre Sachen ordnen. Und wenn es notwendig ist, Vertreter zu wählen, die unsere Beschlüsse und unsern Willen ausführen, dann sagen wir ihnen, dass sie es so zu machen haben, wie WIR wollen und nicht auf irgend eine andere Weise.
Der Unterschied liegt darin, dass, wenn wir Vertreter zu einer gesetzgebenden Körperschaft wählen, dann wählen wir uns unsere Vormünder, in deren Hände wir alle Macht legen, über uns zu befehlen und zu bestimmen, ganz genau so, wie man einen Vormund über eine Person setzt, die nicht zurechnungsfähig ist und ihre Angelegenheiten nicht allein ordnen kann. In dieser Vormundschaft liegt etwas erniedrigendes, das erwachsenen Menschen unwürdig ist. Wenn wir dagegen Vertreter ausersehen, die dies oder das auszuführen haben, dann wird unser Wille ausgeführt und nicht der unserer Vertreter.
Wenn es sich aber um eine Sache handelt, die nicht mit einem Male verwirklicht werden kann, dann können wir die unter uns dazu ersehen, die am geschicktesten sind, die Sache zu studieren, zu "untersuchen und uns dann, wenn sie damit fertig sind, uns ihre Vorschläge unterbreiten. Dadurch legen wir unsere eigenen Angelegenheiten nicht in die Hände einer gesetzgebenden Körperschaft, die die ganze Sache vielleicht gar nicht versteht und außerdem unsere Forderungen nicht befriedigen kann. Wir selbst müssen die gemachten Vorschläge prüfen und uns für das eine oder für das andere entschließen. Dann werden aber die Vertreter, die wir ausersehen, nicht unsere Herren sein, wie es heute in den gesetzgebenden Körperschaften ist. Wir wählen uns diese Delegierten für jede einzelne Sache, die sich am besten dafür eignen.
Wir wählen zum Beispiel einige, um die Schulen, andere, um Wege und Verkehrsmittel einzurichten, noch andere, um die Erzeugnisse zu tauschen, so wie man heute einem Schuhmacher den Auftrag erteilt, ein paar Schuhe herzustellen. Hier kannst du dir ein kleines Bild von dem machen, was man Anarchismus nennt, Und der Syndikalismus ist die Zusammenfassung der Arbeiter in ihren Gewerkschaften zu demselben Zwecke eine kommunistische Gesellschaft zu organisieren, unter vollständigem Wegfallen der Regierungen.
Wenn die Anarchisten und Syndikalisten die Regierungen verwerfen, dann verwerfen sie natürlich auch die Staatsorganisationen. Die Anarchisten und Syndikalisten sind Kommunisten. Sie sagen: dass es notwendig ist, wenn es allen gut gehen soll, dass die Menschen sich achten und lieben und sich als Mitglieder einer und derselben Familie betrachten; da das Eigentum kommunistisch, d. h. gemeinsam sein soll: da die Arbeit, wenn sie fruchtbringend sein soll, mit Hilfe der Maschinen und von vielen Arbeitern gemeinsam ausgeführt werden soll, mit Hilfe der Maschinen und von vielen Arbeitern gemeinsam ausgeführt werden muss; da es notwendig ist, dass auf jedem Platze das erzeugt wird, wozu der Boden und die klimatischen Verhältnisse besonders geeignet sind; und auf der anderen Seite um die Konkurrenz, den Hass, den Neid zwischen den verschiedenen Ländern auszumerzen, es weiter notwendig ist, eine vollständige Solidarität unter den Menschen herzustellen, wollen wir in folgendem Übereinkommen: anstatt das zu tauschen, was ich gemacht habe, und was du gemacht hast, wollen wir gemeinsam arbeiten und alles, was wir erzeugen, gemeinsam verbrauchen. Mit anderen Worten also: jeder gibt der GESELLSCHAFT DAS, WAS SEINE KRÄFTE ZULASSEN, BIS VON ALLEM ALLES VORHANDEN IST, UND JEDER NIMMT DAS, WAS ER BRAUCHT, DOCH MUSS ER SICH IN DEN DINGEN EINSCHRANKEN, DIE ES NICHT GERADE IM ÜBERFLUSS GIBT.

JOHANN: Was meinst du eigentlich mit Solidarität? Das ganze scheint auf eine Solidarität zwischen den Menschen hinauszulaufen, ich verstehe aber nicht richtig, was du damit meinst ...

PETER: Halte dir die Verhältnisse in deiner Familie vor Augen. Alles, was du, deine Frau, deine Söhne und Töchter und ihr Alle verdient, legt ihr in eine gemeinsame Kasse. Dann werden alle Haushaltungs- und sonstigen Ausgaben aus dieser gemeinsamen Kasse bestritten, und wenn es nicht ausreicht, müsst ihr euch alle etwas einschränken. Wenn nun jemand von euch zufällig etwas mehr verdient als die anderen, so kommt es doch allen zugute. Wenn dagegen einer mal krank oder arbeitslos wird, so isst er nichtsdestoweniger am gemeinsamen Tische. So versucht man heutzutage in den Familien, anstatt sich den Bissen Brot gegenseitig zu entziehen, sich gegenseitig zu helfen, denn der Wohlstand des Einen ist der Wohlstand Aller und das Unglück des Einen ist das Unglück Aller. Das nennt man Solidarität und das muss man anstreben und nicht nur bei den Mitgliedern einer Familie, sondern in der ganzen großen Menschheitsfamilie schaffen.

JOHANN: Aha, jetzt verstehe ich. Aber wo durch unterscheidet sich die Sozialdemokratie von den Anarchisten oder Syndikalisten?

PETER: Die Sozialdemokraten unterscheiden sich darin, dass sie meinen, wenn man das Privateigentum an den Produktionsmitteln, dem Grund und Boden, den Maschinen etc. aufgehoben hat, dann soll all dies dadurch zum gemeinsamen Eigentum gemacht werden, dass es als STAATSEIGENTUM erklärt wird. Und auf diesem Standpunkt steht auch die kommunistische Partei. Es ist also Staatssozialismus. Der Grund und Boden wird zum Beispiel verstaatlicht und die Handarbeiter, die dann ein einzelnes Stück Land zur Bearbeitung bekommen, werden eine Art Hofgänger beim Staate.
Während also die Anarchisten und Syndikalisten den Staat verwerfen, wollen die Sozialdemokraten und die Kommunisten ihn behalten. Die Regierung verbleibt unser Vormund, und wir werden unmündig bleiben unter der Kontrolle des Staates, wenn nicht gar leibeigen. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen! hat in der Tat der Staat seine eisenharte Hand über allem. Wenn es ihm passt, sendet er uns als Soldaten zur Schlachtbank. Der Krieg würde allerdings wahrscheinlich aufhören in dem sozialdemokratischen Zukunftsstaate. Der Staat würde aber nichtsdestoweniger eine uneingeschränkte Macht über uns, über unser Leben und unser ganzes Dasein bekommen. Er wird uns befehlen, so wie die Herren uns heute befehlen, obzwar man in wirtschaftlicher Hinsicht wohl zu einem Wohlstand für Alle kommen würde.
Die Staatsform ist aber ein Eingriff in die Gleichheitsgrundlage, wogegen wir Anarchisten und Syndikalisten mit aller Macht kämpfen. Der Staat ist mit der Regierung unweigerlich verbunden, und hier haben wir wieder die Teilung der Menschen in zwei Klassen, in Regierende und Regierte, eine Über - und eine Unterklasse, eine befehlende und eine gehorchende. Wir wollen die Freiheit für alle Menschen und deshalb wollen wir keinen Staat.
Und wir sind überzeugt, dass alles um so besser und praktischer angefasst und geschaffen werden kann ohne den Staat, denn gerade er verhindert die freie Ordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse.
In jeder Gesellschaft können aber Spaltungen entstehen, also auch in einer kommunistischen. Aber in einer kommunistischen Gesellschaft hat der Einzelne das Recht, sich einer andern Gemeinde oder Kommune oder Gruppe anzuschließen, die ihm besser zusagt. Aus einem Staate kann er nicht frei austreten: er ist verurteilt, staatlicher Bürger oder Untertan zu sein, entweder in dem einen oder in dem andern Staate. Eine Kommune kann aber gerade so eingerichtet werden, wie die Mitglieder es wünschen, ein Staat ist und verbleibt aber ein Staat mit Regierenden und Regierten.
Wenn das Privateigentum zum Staatseigentum gemacht wird, dann ist man gezwungen, das Lohnsystem in der einen oder in der andern Form beizubehalten. Und die Sozialdemokraten behaupten auch, dass die verschiedenen Arbeiten für die Gesellschaft mehr oder weniger nützlich sind und deshalb besser und schlechter entlohnt werden müssen. Hier liegt aber wieder ein Feld, auf welchem man den Klassenunterschied einführt; besser und schlechter entlohnte Gesellschaftsmitglieder! Die Anarchisten und Syndikalisten wollen alle Klassenunterschiede aufheben!

JOHANN: Du scheinst mir da Anarchist oder Syndikalist zu sein, Peter?

PETER: Ja, ich bin der Ansicht, wer ein Freund sein will, muss es ganz sein: und wenn man eine Veränderung der Gesellschaft haben will, dann soll man nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Der freiheitliche, staatslose Kommunismus ist das einfachste und gerechteste System. Alle arbeiten gemeinsam, und alle genießen gemeinsam die Früchte ihrer Arbeit. Es gilt nur, auf den Bedarf des Volkes zu achten, wenn man alle Bedürfnisse befriedigen will.

JOHANN: Hat man denn in einer freien kommunistischen Gesellschaft auch keinen Bedarf mehr an Geld?

PETER: Weder Geld noch etwas anderes, was das Geld ersetzt, wird dann notwendig sein. Nichts anderes als ein Register über die Waren , die verbraucht werden, sodass man die Warenerzeugung immer auf gleicher Höhe mit dem Verbrauch halten kann, damit alle befriedigt werden können. Was wir aber in erster Linie verwirklichen müssen, das ist: den Grund und Boden, die Maschinen, die Werkzeuge und Rohmaterialien, die Häuser und alle Reichtümer als gemeinsames Eigentum zu erklären. Nachdem kann das Volk es sich selbst einrichten. An einigen Orten wird man sich wohl kommunistisch einrichten, an anderen wird man vielleicht einen sozialdemokratischen Staat errichten. Nur die Erfahrung kann dann die Leute zu Veränderungen bewegen, und ich bin überzeugt, dass man den sozialdemokratischen Staat als ein Übergangsstadium nehmen wird, und davon zum freien Kommunismus übergeht. Jedenfalls ist aber die Hauptaufgabe, dem Kapitalismus ein Ende zu machen, später werden die Leute es schon verstehen, alles zu ordnen.

PETER: Aber da musst du mir noch eine Sache sagen: Wie soll ich, der ich unwissend und ohne Kenntnisse bin, in einer freien kommunistischen Gesellschaft alle die Arbeiten ersetzen können, die jetzt von der Regierung ausgeführt werden?

JOHANN: Was für große Werke werden aber von den Ministern und den Reichstagsabgeordneten ausgeführt? Was tun sie denn so bedeutendes, das nicht auch wir ausführen könnten? Sie erlassen Gesetze und organisieren die öffentliche Gewalt, mit welcher sie das Volk zum Vorteil der Herren im Joch halten! Diese Arbeit haben wir in Zukunft nicht notwendig. Es ist wohl war, dass die Herren sich teilweise auch mit Dingen beschäftigen, die an und für sich gut und notwendig sind, aber auch darin sind sie vollständig überflüssig. Diese Herren beschäftigen sich zum Beispiel mit den Eisenbahnen. Aber braucht man denn die Herren dazu, um den Verkehr aufrecht zu erhalten. Glaubst du nicht, dass die Ingenieure, die Lokomotivführer, die Arbeiter aller Berufe diese Arbeit ohne eine Regierung ausführen können? Oder glaubst du etwa, dass die Lokomotiven nicht mehr gehen werden, wenn es keine Reichstagsabgeordneten, keine Regierung, keine Minister, keine Aktienbesitzer und andere Schmarotzer mehr gibt?
Dasselbe Verhältnis ist mit der Post, dem Telegrafen, der Schifffahrt, dem öffentlichen Unterrichte, den Krankenhäusern, und allen den Einrichtungen, die von den Arbeitern der verschiedenen Berufe eingerichtet und erhalten werden, und in deren Tätigkeit die Regierung nicht eingreift.
So wie die Regierungen heute die Politik verstehen, ist sie eine schwere Kunst für uns, deshalb, weil sie in Wirklichkeit nichts zu tun hat mit unseren wirklichen Interessen. Wenn die Politik dagegen wirklich zur Aufgabe hätte, den Bedarf des Volkes zufriedenzustellen, dann würde dies den Reichstagsabgeordneten schwerer fallen als uns. Wie kannst du dir denn überhaupt vorstellen, dass der Abgeordnete, der in Berlin oder Wien oder sonst wo sitzt, von den Bedürfnissen des ganzen Landes wissen soll? Wie kannst du denn fordern, dass Menschen, die den größten ihrer Zeit damit verbraucht haben, griechisch zu lernen oder lateinisch, dass sie dann nicht einmal können, etwas von den verschiedenen Berufen der verschiedenen Berufe der verschiedenen Arbeitsgruppen verstehen sollen. Wenn jeder sich nur damit beschäftigt, was er versteht, und mit den Bedürfnissen die er hat, dann wird man viel weiter kommen.
Wenn die Revolution einmal gemacht ist, muss man alles von unten nach oben organisieren. Das Volk muss sich alles selbst ordnen und nicht darauf warten, was eine Regierung tun wird, die niemals etwas getan hat. Das Volk ist in Gemeinden oder Kommunen eingeteilt, und in allen Tätigkeitszweigen und Industrien gibt es Organisationen, die die Herstellung der Güter in die Hand nehmen können. Und wer versteht sich wohl besser auf die Bedürfnisse in eurer Gemeinde und auf die Verhältnisse in ihrem Berufe als die Mitglieder der Gemeinde selbst und die Arbeiter des Berufes?
Wenn es sich nun aber darum handelt, Verträge und das Zusammenarbeiten zwischen verschiedenen Gemeinden oder zwischen verschiedenen Berufen zu treffen, dann sendet man Vertreter zu besonderen Zusammenkünften, versucht durch Vorschläge in der Zusammenarbeit übereinzukommen; diese Vorschläge müssen aber immer den Auftraggebern zur Prüfung vorgelegt werden. Dadurch wird das Interesse des Volkes nicht vernachlässigt, und die Menschheit kommt sich dadurch auch immer näher in enger und inniger Zusammenarbeit und den Gefühlen der Brüderlichkeit.

JOHANN: Wenn es in einer Gemeinde oder in einem Lande Menschen mit einer anderen Meinung gibt, was soll man dann tun? Dann muss sich wohl die Minderheit der Mehrheit fügen?

PETER: Nein, mein Freund, die Wahrheit und Gerechtigkeit ist nicht tausend, so sogar gegen alle anderen. Man muss es auf die beste Weise von der Anzahl abhängig. Ein einziger kann vielleicht recht haben und zu ordnen versuchen. Wenn man nicht vollständige Einheit erreichen kann, dann können die, die in einer Sache vollständig einig sind, sich zusammentun und innerhalb der Grenzen ihrer Gruppen in Übereinstimmung mit ihrer Überzeugung handeln. Und wenn es sich zeigen sollte, dass sie recht gehabt haben, dann kann man nicht daran zweifeln, dass ihr Beispiel befolgt werden wird. Zeigt es sich dagegen, dass die andern recht gehabt haben, so wird man nach der gewonnenen Erfahrung handeln. Auf diese Weise wird das Prinzip der Freiheit und der Gleichheit und Gerechtigkeit, auf welche die Gesellschaft errichtet ist, ungebeugt aufrecht erhalten.
Wenn man durch die Erfahrung eine bessere Lösung für diese oder jene Frage gefunden hat, dann gilt es die Leute zu überzeugen und sie nicht unter das Joch der Majorität zu zwingen. Würden wir nicht aus vollem Halse lachen, wenn man die Einwohner der Städte abstimmen ließe, zu welcher Zeit man den Boden säen müsse? Nein, man muss im Guten einig werden. Du kannst sicher sein, dass es ohne Solidarität nur Unterdrückung und Krieg gibt.

JOHANN: Nun also gut, du bist Sozialist und unter diesen gehörst du zu den kommunistischen Anarchisten und Syndikalisten. Warum nennst du dich auch Internationalist?

PETER: Deshalb, weil ich überzeugt bin, dass es keine wirkliche Lösung der sozialen Frage gibt ohne den international organisierten, vereinigten Kampf der Arbeiter!
Die Regierenden fachen unter den Völkern verheerende Kriege an, um die Kraft des Volkes bei der Erhebung gegen die Reichen einzudämmen und damit die Reichen durch den Krieg noch mehr gewinnen möge. Der Krieg ist eines der größten Übel der kapitalistischen Gesellschaft. Um diesen verheerenden und zerstörenden Blutbädern an dem Volke ein Ende zu bereiten, müssen die Arbeiter sich international zusammenschließen.
Nur die Kapitalisten haben nationale Interessen. Das heißt also, dass die Kapitalisten ein Interesse daran haben, auf dem Warenmärkte miteinander zu konkurrieren. Sie haben feindliche wirtschaftliche Interessen. Daher kommen die Kriege, Man schlägt sich ds Kapitals wegen, um neue Länder zu erobern, die das Ziel für neue kapitalistische Ausbeutung werden können, um neue Absatzgebiete für den kapitalistischen Markt.
Die Arbeiter dagegen haben keine feindliche nationale Interessen; sie sind überall gleich ausgebeutet, wirtschaftlich ausgeplündert und haben nur ein internationales und gemeinsames Interesse. Wenn die Arbeiter nun in dem Weltkriege und in allen andern Kriegen der verschiedenen Länder sich gegenseitig bekämpften, dann ist der Grund hiervon eben, dass die sozialistischen Ideen noch nicht genügend in dem Bewusstsein des Volkes verankert waren. Die Arbeiterbewegung ist aber noch jung. Das Christentum, das zweitausend Jahre alt ist, hat bisher noch niemals, obzwar es fast die ganze Erde umspannt, vermocht, einen Krieg zu verhindern, im Gegenteil, es hat eine Menge Religionskriege erzeugt. Man darf aber nicht trostlos sein, sondern muss nur neue Schritte unternehmen. Der Tag ist nicht ferne, wo die Arbeiter der ganzen Welt ihre Stellung verstehen und durch internationales Eingreifen einen Krieg verhindern werden. Und auch der Weltkrieg hat uns diesem Ziele schon näher gebracht, indem die Arbeiter eingesehen haben, dass sie nur ein Spielball in den Händen der Kapitalisten sind, die nur auf ihre eignen Interessen bedacht sind.
Die Arbeiter haben eingesehen, wie notwendig es ist, zusammenzuhalten, und in Zukunft werden sie es auch tun.
Es wird der Tag kommen, da das international vereinigte Proletariat, die Sklaven auf dem Lande und in den Fabriken zu einem weltumfassenden Kampf gegen ihre Unterdrücke sich erheben, diese aus dem Sattel werfen und sich in den Besitz der Reichtümer setzen, die sie und ihre Väter und Vorväter geschaffen haben, und dann eine Gesellschaft gründen, wo Glück und Wohlstand für alle herrscht.

JOHANN: Ihr habt schon recht, Peter. Wenn ich all das Neue, was du mir da gesagt hast, durchdenke, dann will ich auch für diese Wahrheit eintreten und für diese großen Wahrheiten werben. Die Völker werden niemals in Freiheit und Wohlstand leben können, ohne dass die gegenwärtigen Verhältnisse sich total verändern, die dem einen auf die Kosten der Arbeit des anderen ein flottes Leben gestatten.

Wir treffen uns also in der Organisation, Peter !