Titel: Für einen Bruch mit der autoritären Linken!?
Datum: Für einen Bruch mit der autoritären Linken! [16.7.2015]; Für einen Bruch mit der autoritären Linken? [1.8.2015]; Warum wir den Bruch mit der autoritären Linken wollen [1.9.2015]; Für einen anarchistischen Anarchismus [29.10.2015];
Bemerkungen: Entnommen am 24.11.2014 Text 1: von https://linksunten.indymedia.org/de/node/148506; Text 2: aus "GaiDao", Nr. 56, ohne Ort, August 2015, S. 22-23; Text 3: aus "GaiDao", Nr. 57, ohne Ort, September 2015, S. 28-30; Text 4: von https://linksunten.indymedia.org/en/node/157508.

Die bisherige Diskussion

Für einen Bruch mit der autoritären Linken! (Einige Anarchist*innen aus Dortmund)

Am 15. Juli fand in Dortmund eine Demonstration unter dem Motto „OXI Spardiktat, OXI Kapitalismus! Schönes Leben statt Austerität!“ in Solidarität mit den Menschen in Griechenland statt. Die Demonstration war Teil eines internationalen Aktionstags. Nach einem Tag Mobilisierung und regnerischem Wetter kamen ca. 100 Leute zur Startkundgebung an der Reinoldikirche. Die Demonstration führte durch die Einkaufsmeile in der Innenstadt und die Nordstadt mit Endpunkt Nordmarkt. Nur rund die Hälfte der Demo-Teilnehmer*Innen blieb bis zum Ende der Demo. Mobilisiert für diese Demo hatte die Autonome Antifa 170, Freundeskreis Autonomie, Antifaschistisches Medienzentrum. Aus unserer Sicht ist es in Dortmund keine Selbstverständlichkeit, dass es über die Themen Antirassismus, Antifaschismus und Freiräume hinaus viele Aktivitäten gibt. Daher waren wir erfreut über die Initiative und mit der grundlegenden Ausrichtung der Demonstration einverstanden.

Überrascht hat uns aber nicht, dass diese Demonstration für Dortmund verhältnismäßig viele Menschen aus dem autoritär-sozialistischen Spektrum anzog. Ca. 15-20 Menschen von Linksjugend, SAV und Die Linke fanden sich bei der Demo zusammen.

Geschuldet ist dies verschiedenen Punkten: Der Thematik, einer nicht eindeutig kommunizierten anti-autoritären Ausrichtung und letztendlich die Duldung von autoritären Kräften auf der Demo, sowie die generelle Verwobenheit von autoritärer und anti-autoritärer Linken.

Während der Demonstration wurde auf antiparlamentarische Parolen immer wieder von dem beschriebenen Zusammenhang geantwortet. Von den übrigen Teilnehmer*Innen wurde dies entweder einfach nicht beachtet oder eher als Zankerei und nicht als inhaltliche Auseinandersetzung (wenn auch nur in Parolen) betrachtet.

Erstaunlich, geht es doch in Griechenland genau um diesen Konflikt zwischen Basisbewegungen und Parlamentarismus. Aktuell erleben wir (wie so oft in der Menschheitsgeschichte) in Griechenland das Zusammenbrechen der parlamentarischen Illusion als Weg der Befreiung. Viele Menschen haben nachdem sie auf der Straße kämpften und in Nachbarschafts- und Basisbewegungen aktiv waren und jegliche Hoffnung in den Parlamentarismus verloren. Mit dem Aufkommen von Syriza wurde diese Hoffnung wieder von neuem genährt, denn Syriza hat es geschickt verstanden Basisbewegungen für sich zu vereinnahmen und den Widerstand gegen die frühere Regierung als Wahlkampf für sich zu nutzen. Nach der Wahl von Syriza wird offensichtlich was die anarchistische Bewegung in Griechenland schon immer betonte. Zuerst geht Syriza eine Koalition mit der rechtspopulistischen Anel-Partei ein und jetzt akzeptiert sie noch rigidere Sparmaßnahmen. Während dieselben (Nazi-)Bullen weiter die Proteste auf der Straße niederschlagen. Und alles unter dem Deckmantel von „Real“politik.

Wenn jetzt Leute entgegnen, dass die KKE für echte Veränderung stehen würde, dann müssen wir zustimmen. Aber Stalinismus wird sicherlich nicht zu einer freiheitlichen Gesellschaft führen.

Im Zuge dieser Situation in Griechenland, dem offensichtlichen Konflikt zwischen linkem Parlamentarismus und Basisbewegungen, ist es verwunderlich, dass dieser Konflikt kaum eine Rolle auf der Demonstration gespielt hat.

Sich nicht zu diesem Punkt zu äußern, diesen Konflikt nicht zu thematisieren, ist für uns keine Option, denn somit überlasst man autoritären Kräften das Feld. Woran liegt es, dass ein eigentlich sehr passendes Thema nicht dazu genutzt wurde, die Unterschiede zwischen den verschieden Positionen aufzugreifen.

Denn als Schwesterpartei von Syriza unterscheidet sich „Die Linke“, ihre Jugendorganisation Solid und ihre freudigen Unterwander*Innen von der SAV, genau an solchen Widersprüchen wie sie in Griechenland zu Tage treten, nur wenig.
Das die Widersprüche hier in Deutschland noch nicht so offen zum Tragen kommen, liegt nicht daran, dass das Verhältnis von z.B „Die Linke“ zu Basisbewegungen grundsätzlich anders als in Griechenland ist, sondern an der generellen Schwäche von revolutionären Bewegungen in Deutschland. Hätten revolutionäre Gruppierungen eine größere Relevanz und einen größeren Einfluss auf gesellschaftliche Abläufe würde dies unserer Meinung nach irgendwann auch hier in einem offenen Konflikt münden.

Für uns ist es daher keine Option diesen Differenzen solange wie möglich aus dem Weg zu gehen, sondern einen Diskurs über autoritär-sozialistische Gruppen in Gang zu setzen. Die Lehren, die Genoss*innen in vielen anderen Ländern und zu anderen Zeiten machten, wollen wir nicht unberücksichtigt lassen.

In der radikalen Linken ist es normal das aus einem diffusen antikapitalistischen „Konsens“ autoritäre Gruppen ohne Probleme ihr Unwesen treiben können.

Die Linke, welche beispielsweise im Landtag von Berlin weiter abschieben lässt, dulden wir genauso wenig, wie die Rechten, die noch darüber hinausgehen wollen.
Klar will „Die Linke“ nicht abschieben lassen, aber die „Realpolitik“ und geringer Spielraum für Veränderungen, lassen eine emanzipatorische Politik nicht zu.

Für uns verläuft die Trennlinie nicht zwischen links-rechts, sondern zwischen autoritär-antiautoritär. Parlamentarische Kategorien sind keine in denen wir argumentieren.

Auch wenn in der Linken von einem gemeinsamen Kampf geredet wird, bleibt am Ende doch nur das diffuse „Anticapitalista“ übrig.

Für uns ist es wichtig sich dieses Spannungsfeldes bewusst zu sein. Einige Vorschläge was dies für unsere Praxis bedeuten kann:

  • Grundlegende anti-autoritäre Ausrichtung

  • eigene Position bei Aktionen deutlicher herausstellen

  • generellen Diskurs zu autoritärem Sozialismus/Kommunismus anstoßen

  • autoritäre Gruppen aus emanzipatorischen Zusammenhängen/Strukturen ausschließen

Uns ist bewusst, dass es an der Basis von vielen autoritären Gruppierungen einige Menschen gibt, die unseren Ideen nahe stehen oder neu politisiert wurden. Es kann also nicht darum gehen, gegen einzelne Leute offensiv vorzugehen, sondern mit Fingerspitzengefühl und der Situation angemessenen Methoden sich deren Ideologie entgegen zu stellen, um sie möglicherweise auch mit unseren Inhalten zu erreichen und das Erstarken von autoritären Strukturen zu verhindern.

  • unseren Diskurs in nicht gefestigte autoritäre Strukturen bringen

Den Bruch mit der autoritären Linken vorantreiben – antiautoritäre Inhalte stärken!

Danke an die Organisator*Innen der Demonstation!

Einige Anarchist*Innen aus Dortmund

weiter interessante Diskussionsbeiträge zu der Thematik:

http://www.anarchie-mannheim.de/schriftenreihe/01_Ist_der_Anarchismus_links.pdf

http://lowerclassmag.com/2015/07/der-tod-des-reformismus/

http://lowerclassmag.com/2015/07/kapitulation-widerstand-revolutionaerer-bruch/

http://crimethinc.blogsport.de/2015/03/11/syriza-kann-griechenland-nicht-retten/

https://linksunten.indymedia.org/de/node/148339

Für einen Bruch mit der autoritären Linken? (Anarchistische Initiative Kaiserslautern)

Anlass für den vorliegenden Text war ein Beitrag auf Indymedia, verfasst von „Einigen Anarchist*Innen“ aus Dortmund (siehe Beitrag S.21). Mit dem Scheitern des Parlamentarismus in Griechenland vor Augen, fordern sie auch hierzulande eine stärkere Unterscheidung zwischen autoritärer und antiautoritärer Linker sowie „den Bruch mit der autoritären Linken voranzutreiben“.

Die Autor*Innen sagen, dass für sie „die Trennlinie nicht zwischen links und rechts, sondern zwischen autoritär und antiautoritär verläuft“ und reduzieren die Gemeinsamkeiten der Linken auf einen „diffusen antikapitalistischen „Konsens“. Mit dieser Auffassung fordern sie unter anderem, den „Bruch mit der autoritären Linken voranzutreiben“.
Vorweg: Wir finden es fragwürdig, alles was hierarchisch ist generell als autoritär abzutun, da dies die Bedeutung des Wortes autoritär verringert und eine Unterscheidung schwierig macht. Zum Beispiel besteht für uns ein Unterschied zwischen der Regierung der AKP von Erdogan und der Regierung der BRD. Da wir dies hier jedoch nicht diskutieren wollen, belassen wir es im vorliegenden Text der Einfachheit halber bei der Trennung zwischen autoritärer und antiautoritärer Linker.

Die Frage, die sich uns jedoch stellt ist, ob solch ein Bruch für uns Anarchist*Innen sinnvoll ist. Zunächst: Was ist konkret mit Bruch gemeint und was hätte dies für uns zu bedeuten?

Keine Solidarität mehr mit autoritären Gruppen? Für jeden Anlass eigene Flyer schreiben? Keine autoritären Linken mehr auf Demos dulden? Einige Punkte, die in dem Indymedia-Text vorgeschlagen werden finden wir sinnvoll, bei anderen hingegen sehen wir einen eher negativen Nutzen im Hinblick auf die zukünftigen Auswirkungen und der damit verbundene Entwicklung der antiautoritären Bewegung.

Durch einen Bruch könnte die Handlungsfähigkeit in akuten Situationen eingeschränkt werden. Gerade wenn es darum geht Angriffe abzuwehren, also zum Beispiel eine Abschiebung zu verhindern oder Auswirkungen einer Finanzkrise abzuwehren, wäre eine Zusammenarbeit sinnvoll, ja sogar notwendig.

Außerdem ist unseres Erachtens die Gefahr einer Isolierung für die Antiautoritären durch einen Bruch mit der autoritären Linken groß. Wir bewegen uns in einer uns „feindlichen“ Umwelt. Zu der wirtschaftlichen und politischen Situation kommt, dass auch viele linke Organisationen und die meisten Gewerkschaften hierarchische und staatsfixierte Strukturen befürworten. Eine Übereinstimmung findet sich tatsächlich oftmals nur noch über das Wörtchen „antikapitalistisch“. Doch Brüche mit diesen oder jenen lösen keines unserer Probleme oder bringen mehr Menschen unsere Ideen nahe, geschweige denn, dass mehr Menschen anfangen, sich in libertären Projekten zu engagieren.

Parteien, Parlamentarismus, Gewerkschaftsapparate sollten jederzeit stark kritisiert werden. Doch sollten wir nicht vergessen, dass hinter diesen Organisationen viele Menschen stehen. Wir müssen unseres Erachtens eine gewisse Nähe wahren, um beispielsweise einen Diskurs anregen zu können. Gerade aktuell wird beispielsweise die Entscheidung der Ver.di-Funktionär*Innen im Streit mit der Post von vielen Arbeiter*Innen heftig kritisiert. Ideen wie basisdemokratische Entscheidungsfindung könnten Anklang finden. Kritisch-Solidarische Aktionen könnten dazu beitragen unsere Ideen zu verbreiten und eine kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Strukturen fördern, sowie unseren eigenen, schon bestehenden Projekten, Aufmerksamkeit zukommen lassen. Wir sprechen dabei aber nicht davon, dass wir in die bestehenden Organisationen eintreten sollten, um unsere Ideen zu verbreiten.

Vielmehr sollten wir eigene Strukturen aufbauen und stärken, dabei aber keinen totalen Bruch mit anderen linken Organisationen oder Gewerkschaften vollziehen und uns nicht komplett von der Außenwelt abnabeln, die uns zwar nicht passt, die wir ja aber verändern wollen! Ein kompletter Bruch à la „Was ihr macht ist generell eh scheiße“ käme letzten Endes nicht uns zu Gute. Wir bewegen uns nun mal in dieser Realität und müssen hierin versuchen, Mittel und Wege zu finden, um eine Vielzahl an Menschen zu erreichen. Ansonsten können wir weiter, überspitzt formuliert, in unseren AZs hocken und ‘Deutschland du Opfer’-Aufkleber drucken.

Es ist sinnvoll abzuwägen, wann eine Zusammenarbeit mit anderen linken Organisationen möglich ist und wann nicht, natürlich spielt das Verhältnis vor Ort auch eine Rolle. Es gibt jedoch sicherlich auch Themen, bei denen eine Übereinstimmung besteht und es zu einer Zusammenarbeit kommt. Hier ist es dann sinnvoll, wie die AutorInnen aus Dortmund am Schluss ihres Textes noch als Vorschlag für die Praxis anführten, die eigenen Positionen deutlich herauszustellen. Denn: Was spricht dagegen, andere linksorientierte Menschen beispielsweise auf einer x-beliebigen Ersten-Mai-Demo oder auf einem lahmen DGB-Fest mit einer anarchistischen Rede oder einem libertären Infostand zu erreichen? Ein eigenständiges Ausschließen hiervon würde uns diese Chance nehmen einer Vielzahl an Menschen eigene Positionen darzustellen und zum Beispiel auch einen Diskurs zu autoritärem/antiautoritärem Sozialismus anzuregen. Etwas mehr Pragmatismus würde in manchen Situationen sicherlich nicht schaden, solange die eigenen Ideen nicht über Bord geworfen werden!

Denn eine Alternative bieten unsere Ideen in jedem Fall, wie beispielsweise die Begeisterung vieler „autoritärer“ Linker für Rojava und die Ideen des demokratischen Konföderalismus zeigt, welcher ja bekanntlich auf den Ideen des Anarchisten Murray Bookchin fußt.

Warum wir den Bruch mit der autoritären Linken wollen (Einige Anarchist*innen aus Dortmund)

Anmerkung der Redaktion: In der letzten Gaidao (Nr. 56) erschien sowohl der Ausgangstext "Bruch mit der autoritären Linken" als auch die Erwiderung "Für einen Bruch mit der autoritären Linken?" von der Anarchistischen Initiative Kaiserslautern. Der folgende Text von den Autor*innen des Ausgangstexts möchte an die Diskussion anschließen.

Unser Text „Bruch mit der autoritären Linken“ vom 16.07.15. hat eine große Welle von Diskussionen und Feedback zu der von uns angeschnittenen Thematik ausgelöst. Ein überwiegend positives Feedback bekamen wir von uns nahestehenden Genoss*innen und auch darüber hinaus aus der anarchistischen Bewegung. Jedoch wurden wir dabei auch auf einige Schwächen des Textes aufmerksam gemacht. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Text kam von unseren Genoss*innen der Anarchistischen Initiative Kaiserslautern. Auf diese werden wir uns im Folgenden unter anderem beziehen. Natürlich gab es auch über das anarchistische Spektrum hinaus Diskussionen über den Text (wahrgenommen haben wir das aus Antifa-Gruppen in Dortmund).

Kritikpunkte waren unserer Wahrnehmung nach vor allem folgende:

  • Vorwurf identitären Verhaltens

  • noch stärkere Isolation der anarchistischen Bewegung

  • Vorwurf autoritären Verhaltens unserseits

  • fehlende Definition: Autoritär-antiautoritär

  • fehlende Ausdifferenzierung verschiedener autoritärer Strömungen

  • durch einen Bruch werden wir weniger handlungsfähig

Zunächst einmal sollte klar sein, dass unser Text gemessen an seiner Länge und an der Kürze der Zeit, in der dieser geschrieben wurde, nicht alle Aspekte ausführen kann, die es zu beachten gäbe, und zwangsläufig verkürzt ist. Uns ging es in erster Linie darum einen Diskurs anzustoßen, was ja auch erreicht wurde. Nun wollen wir den Diskurs

fortführen.

Autoritär vs. antiautoritär

Der Kritikpunkt, wonach wir nicht ausgeführt haben, was wir unter autoritär bzw. antiautoritär verstehen, ist berechtigt.

Autoritär ist für uns ein weitgefasster Begriff, der viele verschiedenen Gruppierungen umfasst.

Allgemein gesagt sind dies alle Gruppierungen, die eine Autorität für alle Menschen darstellen wollen und/oder die sich an der Erhaltung und Neugestaltung von Herrschaftsinstitutionen aktiv beteiligen. Konkret bedeutet das Gruppen, die staatliche Institutionen nutzen (wollen) bzw. die staatliche Macht erobern wollen, sei es durch Wahlen oder durch eine politische Revolution. Außerdem religiöse Gruppierungen mit missionarischem und alleinigem Wahrheitsanspruch. Oder Kapitalist*Innen, welche vielleicht weniger Staat fordern, aber mehr Markt/Kapitalismus wollen.

Diese Liste ließe sich noch auf viele weitere Herrschaftsstrukturen erweitern. All diesen Gruppierungen ist eins, dass sie in ihrem Weltbild, ihrem Handeln und ihren Zielen Zwang eine elementare Rolle spielt. Klar ist für uns aber auch, dass all diese Gruppen Unterschiede haben und damit auch unterschiedlich von uns zu bewerten sind. Mit „Für uns verläuft die Trennlinie nicht zwischen links-rechts, sondern zwischen autoritär-antiautoritär. Parlamentarische Kategorien sind keine in denen wir argumentieren“ meinten wir keineswegs eine Gleichstellung von autoritär-linken mit autoritär-rechten Gruppen. Es ist natürlich klar, dass wir mit dem Islamischen Staat oder der NPD (ohne das gleichsetzen zu wollen) keinerlei Anknüpfungspunkte sehen, während sie mit z.B. der Linksjugend Solid durchaus existieren (können). Autoriät ist kein feststehender Begriff für bestimmte Gruppierungen, sondern es muss immer wieder neu bewertet werden (und so auch inwieweit man mit bestimmten Gruppen zusammenarbeitet).
Zur Einordnung möchten wir unterscheiden, dass es durchaus Unterschiede zwischen hierarchischen und autoritären Strukturen geben kann (vor allem Organisationen, die keine ausgeführte Weltanschauung vertreten, bspw. Amnesty International, Greenpeace oder Attac sind in unserer Einordnung hierarschisch organisiert, aber erstmal nicht autoritär).

Die Definition darüber liegt nicht allein bei uns, sondern kann nur über einen ständigen Diskurs bestimmt werden. Dabei können auch historische Überlieferungen von antiautoritären Bewegungen hilfreich für eine Einordnung sein. Zum Beispiel könnten die Erfahrungen von Anarchist*Innen in der Sowjet-union mit den Bolschewiki dienen. Besonders heraus stechend ist die Niederschlagung des Kronstädter Matrosenaufstands durch die Rote Armee von Trotzki angeführt, welcher auch heute noch die zentrale Figur der SAV ist.

Was meinen wir also konkret mit einem Bruch?

In erster Linie geht es darum Differenzen aufzuzeigen und zu benennen. Es geht keinesfalls um eine Abkapselung von allem was sich nicht anarchistisch labelt, sondern gerade darum den Diskurs zu suchen. Dabei ist aber wichtig, dass wir als anarchistische Bewegung organisatorisch unabhängig bleiben. Wie können wir Parteien, die wir eigentlich überwinden wollen effektiv stören, wenn wir von diesen abhängig sind? Stattdessen sehen wir z. B. in Griechenland, dass selbst Anarchist*innen und besonders andere Basisbewegungen Hoffnungen und Kapazitäten in das Spektakel der Macht legen. Wir wehren uns mit einem Bruch gegen jegliche Vereinnahmung auch von autoritär-linken Gruppierungen.

Was ein Bruch für jeden Einzelnen von uns bedeutet, wollen wir nicht vorgeben, sondern liegt im Ermessen jedes Einzelnen. Im letzten Text haben wir dafür bereits Vorschläge aufgeführt:

  • Grundlegende anti-autoritäre Ausrichtung

  • eigene Position bei Aktionen deutlicher herausstellen

  • generellen Diskurs zu autoritärem Sozialismus/Kommunismus anstoßen

  • autoritäre Gruppen aus emanzipatorischen Zusammenhängen/Strukturen ausschließen

  • Uns ist bewusst, dass es an der Basis von vielen autoritären Gruppierungen einige Menschen gibt, die unseren Ideen nahe stehen oder neu politisiert wurden. Es kann also nicht darum gehen, gegen einzelne Leute offensiv vorzugehen, sondern mit Fingerspitzengefühl und der Situation angemessenen Methoden sich deren Ideologie entgegen zu stellen, um sie möglicherweise auch mit unseren Inhalten zu erreichen und das Erstarken von autoritären Strukturen zu verhindern.

  • unseren Diskurs in nicht gefestigte autoritäre Strukturen bringen

Jetzt wollen wir noch auf weitere Punkte eingehen, die in dem Text der Genoss*innen von der Anarchistischen Initiative Kaiserslautern aus der GAIDAO Nr. 56 erwähnt werden.

Diese schreiben: „Vorweg: Wir finden es fragwürdig, alles was hierarchisch ist, generell als autoritär abzutun, da dies die Bedeutung des Wortes autoritär verringert und eine Unterscheidung schwierig macht. Zum Beispiel be-steht für uns ein Unterschied zwischen der Regierung der AKP von Erdogan und der Regierung der BRD. Da wir dies hier jedoch nicht diskutieren wollen, belassen wir es im vorliegenden Text der Einfachheit halber bei der Trennung zwischen autoritärer und antiautoritärer Linker.“
Wir finden nicht, dass das Wort „autoritär“ durch unsere Nutzung abgeschwächt wird. Das Wort wie es in dem Text aus Kaiserslautern genutzt wird kommt unserer Meinung aus einem demokratischen Diskurs. Denn dort wird zwischen guten, demokratischen Staaten und bösen autoritären Regimen unterschieden. Klar gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Staaten was zum Beispiel Meinungs- und Pressefreiheit angeht, jedoch verwischt der demokratische Diskurs auch viele Gemeinsamkeiten um sich selbst als fortschrittlich darzustellen. Die wahre Fratze der demokratischen Staaten zeigt sich vor allem in der gewissenlosen wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit „autoritären Regimen“. Es gibt ja auch noch andere Worte um verschiedene Regierungsformen zu unterscheiden bzw. diese lassen sich kaum in einem einzigen Wort beschreiben.

Keine Solidarität mehr mit autoritären Gruppen?”
Das muss von Fall zu Fall unterschieden werden. Klar sollte sein, dass z. B. unsere Solidarität mit Gefangenen von autoritären Gruppen immer eine kritische sein wird. Ungeachtet dessen streben wir ja trotzdem eine Welt ohne Knäste an. Darüber hinaus ist uns nicht ganz klar, was genau in diesem Fall mit Solidarität gemeint ist?

Für jeden Anlass eigene Flyer schreiben?”
Ja auf jeden Fall, wenn dazu Kapazitäten da sind. Immerhin wollen wir ja anarchistische Inhalte verbreiten. Oder?

Die eigene Handlungsfähigkeit

Ein weiterer Kritikpunkt war, dass wir unsere Handlungsfähigkeit (um z.B. Abschiebungen zu verhindern oder die Auswirkungen der Finanzkrise abzuwehren) verringern.
Erst einmal sind das ja alles Einzelfallabwägungen mit wem und wie weit man zusammenarbeitet. Bei der Blockade einer Abschiebung spielt es eher eine untergeordnete Rolle, wo genau die Leute jetzt organisiert sind. Und falls Menschen entsprechende Symbolik mit sich führen sollten, kann man dies ja thematisieren.
Die Auswirkungen der Finanzkrise kann niemand abwehren, man kann nur den Konflikt mit den Institutionen, die uns die Mittel zum Leben nehmen schüren und vertiefen. Parteien, die nicht die grundlegenden Ursachen des Kapitalismus angreifen wollen (Lohnarbeit und Eigentum) können die Auswirkungen der Krise höchstens etwas zurückschieben, oft nicht mal das (Syriza).
=>Eine enge Zusammenarbeit mit scheinbaren Lösungen (Partei XY kämpft auch gegen Austerität) schwächt jedoch unsere Position, da wenn diese Ideen diskreditiert ist (OH Partei XY macht das doch nicht mehr), sind es unsere oftmals gleich mit.

Außerdem ist unseres Erachtens die Gefahr einer Isolierung für die Antiautoritären durch einen Bruch mit der autoritären Linken groß.“ Wir sind erstmal schon dadurch isoliert, dass wir Anarchist*innen sind (gibt ja nicht soviele im deutschsprachigen Raum). Diese Isolation ist erstmal kein Problem, sondern die Chance et-was anderes aufzuzeigen. Durch die Vermengung unserer „isolierten“ Position mit entgegenstehenden Ideen heben wir vielleicht die Isolation auf, schwächen aber unsere eigene Position. Damit versinkt der Anarchismus als eine linke Idee, von der andere sich vielleicht ein zwei Sachen abschauen. Als eigenständige Utopie wird er dann aber nicht mehr wahrgenommen, wir bleiben ein Flügel unter vielen linken Ideen.

Doch Brüche mit diesen oder jenen lösen keines unserer Probleme oder bringen mehr Menschen unsere Ideen nahe, geschweige denn, dass mehr Menschen anfangen, sich in libertären Projekten zu engagieren.“
Unsere eigene Position explizit darzustellen, führt eher dazu, dass Leute wenn sie anarchistische Ideen gut finden, die Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit genau dahingehend ändern. Denn ansonsten ist ja alles unserer „gemeinsamen Sache“ zuträglich. Dann kämpfen Jusos und Anarchist*Innen für das gleiche Ziel und es besteht gar kein Grund dafür, aus den Jusos auszutreten und anarchistische Projekte zu verfolgen. Darüber hinaus sind wir auch insofern nicht auf autoritäre Linke Gruppen angewiesen, als dass es zu verschiedenen Themen andere potentielle Bündnispartner*innen gibt. Die eben nicht zwingend im linken Sumpf liegen müssen, wie z. B. Bürger*innen-Initativen, Mietervereine, Gewerkschaften, Nachbarschaftshilfen, Naturfreunde, basisdemokratische Gruppen usw.

Kritisch-solidarische Aktionen könnten dazu beitragen unsere Ideen zu verbreiten und eine kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Strukturen fördern, sowie unseren eigenen, schon bestehenden Pro jekten, Aufmerksamkeit zukommen lassen. Wir sprechen dabei aber nicht davon, dass wir in die bestehenden Organisationen eintreten sollten, um unsere Ideen zu verbreiten.“
Genau in eine solche Stoßrichtung ging auch unser Text.

Wir freuen uns auch bei diesem Text über solidarische Kritik, hoffen die Ideen aus unserem vorherigen Text deutlicher dargestellt zu haben und würden uns über weitere Diskussionsbeiträge auch hier in der GaiDao freuen.

Weitere interessante Beiträge zu Griechenland, die seit unserem Text erschienen sind, findet ihr hier:

Appendix - Texte die im Kontext dieser Diskussion stehen.

Für einen anarchistischen Anarchismus – Zur Kritik an Pazifismus und Basisdemokratie (Politladen Köln)

Pazifismus. Dieses Wort fällt auffällig oft im anarchistischen Diskus. Ja, auch wir träumen von einer Welt ohne Gewalt und Herrschaft, von einer Welt in der jedes Individuum verinnerlichte Unterdrückungsmechanismen verlernt hat, in der es keine Notwendigkeit mehr gibt für körperliche Gewalt in Auseinandersetzungen, in der auch psychische, verbale, emotionale Gewalt der Vergangenheit angehören.

„Die Linke hat unbewusst als Hauptaufgabe Widerstand harmlos zu machen. Staaten haben verstanden, dass Widerstand und Kämpfe niemals verschwinden werden. In der Vergangenheit wurde versucht, Kämpfe zu unterdrücken, sobald sie entstanden, doch dies erwies sich als ineffizient. Heute herrschen Staaten indem sie die Unvermeidbarkeit von Konflikt und Widerstand akzeptieren und anstatt dessen versuchen ihn zu managen, permanent zu regulieren. Soziale Bewegungen in Nordamerika versteifen sich auf die von mittelschichts-Reformist*innen auferlegte Doktrin, Bewegungen kontrollieren und ihre Entwicklung diktieren zu wollen“- Peter Gelderloos und Aric McBay (sinngemäß übersetzt)

Pazifismus ist staatserhaltend.

Nur durch die gleichzeitige Existenz „gewaltfreier“ und militanter Aktionen kann dem Staat gegenüber ein Drohpotential aufgebaut werden. Wird sich unsolidarisch von militanten Aktionen distanziert und im (meist legalen) pazifistischen Rahmen gehandelt, so spielt das in die Hände der staatlichen Logik. Bei pazifistischen Protestaktionen dürfen Menschen ihrer Kritik freien lauf lassen, ihre Wut loswerden, ein gutes Gewissen herbeidemonstrieren. Widerstandshandlungen wird somit vorgebeugt, da mensch ja das Gefühl hat, durch den Protest etwas geändert zu haben. Fühlen Menschen sich beim Protestieren fälschlicherweise von der Regierung gehört, so wird sie dies daran hindern, radikalere Mittel zu ergreifen, die Staat und Kapital wesentlich härter treffen. So schaffen es die Repressionsbehörden, politisch Aktive psychologisch zu steuern. Weder Ghandi noch Martin Luther King hätten eine Verhandlungsposition einnehmen können, wären nicht gleichzeitig militante Bewegungen aktiv gewesen.

Ghandi - DAS Idol des weißen Pazifismus - war Abtreibungsgegner, hat junge Frauen und minderjährige Mädchen misshandelt, Vergewaltigten die Schuld für die Tat gegeben und ihre Ermordung als Erlösung propagiert, sowie anti-Schwarzen Rassismus und Antisemitismus verbreitet. Hauptsache den Kolonialherren gegenüber gewaltfrei sein? Auch Pazifismus ist vor Doppelmoral nicht sicher.

Die Kritik richtet sich nicht an friedliche Proteste, eine Vielfalt von Taktiken ist immer sinnvoll. Das Problem ist, dass sich Pazifist*innen von radikaleren und militanteren Aktionen distanzieren. Es ist falsch anzunehmen, dass Menschen denen einfache Demonstrationen nicht ausreichen, nicht durchdacht hätten, was sie tun. Was ist Gewalt? Gewalt sind Eigentum, Arbeitszwang, soziale Normen, Gesetze, strukturelle Diskriminierungsverhältnisse. Eine kaputte Ladenscheibe, brennende Firmenwagen, ein Flaschenwurf in die Polizeikette, ein Stein der einen Nazi trifft – das sind legitime Notwehrmaßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Gewalt.

Wer sich aus Pazifismus heraus nicht gegen Naziangriffe verteidigen möchte, kann das tun, sollte sich aber nicht Menschen in den Weg stellen, die anderes vorhaben, die sich verteidigen. Sich öffentlichkeitswirksam von militanten Strategien zu distanzieren hilft der demokratischen Mehrheitsmeinung dabei, „Linksextremisten“ zu diffamieren und die Mitte der Gesellschaft gegen sie aufzuhetzen. Wird jedoch häufiger die Notwendigkeit von Radikalität und Militanz verständlich begründet, so könnte diese mehr Akzeptanz finden. Eine Linie ist aus anarchistischer Sicht jedoch dann überschritten, wenn Menschen, welche austauschbare Funktionär*innen des Systems sind, als Sündenböcke inszeniert und „eliminiert“ werden. Nicht nur finden sich hier Elemente der Entmenschlichung und des strukturellen Antisemitismus, „die da oben“, „eine kleine Gruppe von Kapitalisten und Politikern“ für das Übel der Welt verantwortlich zu machen ist schlicht verkürzt. Es bedarf hier einer ausführlicheren Analyse der herrschenden Verhältnisse. Entzieht den Wurzeln des Systems ihren Boden, anstatt einzelne Früchte zu entsorgen!

Ganz besonders in Zeiten von faschistoiden Angriffen, sei es durch Rechte und andere Rassist*innen oder durch den elenden selbsternannten Islamischen Staat, ist die Forderung nach Pazifismus eine Beleidigung für und Entsolidarisierung von allen Betroffenen und Kämpfenden.

Umgang mit Polizeigewalt

Nur äußerst selten distanzieren sich militantere Gruppen von pazifistischen, umgekehrt allerdings werden Ignoranz und Spaltung vermittelt, sich von Militanten distanziert, sie gegenüber der gesamtgesellschaftlichen Öffentlichkeit als den „richtigen“, vermeintlich reflektierten, Aktivist*innen nicht-zugehörig dargestellt. So wird sich den Erwartungen und Bedingungen staatlicher Institutionen angepasst. Des Weiteren behaupten Pazifist*innen nur zu gerne, dass Militante V-Leute/Agent Provocateure seien und sprechen somit militant Handelnden ihre Selbstbestimmung und ihr Empowerment ab. So mutig, radikal, militant könnten Linke nach dieser Logik nie sein... dann wimmelt es anscheinend überall vor V-Leuten, die mit Bezahlung Chaos stiften um so die unschuldigen, friedlichen, sich von (aus Gegenwehr notwendiger) Gegengewalt distanzierenden Pazifist*innen in Repressionssituationen bringen. Nicht etwa Staat und Polizei werden für Repression und Gewalt verantwortlich gesehen, sondern andere Linke (ach nee, alles V-Leute, wa?). So zum Beispiel in einem Bericht der APJ Köln über Blockupy, in dem sich beklagt wurde (im Vergleich zu Militanten) zu Unrecht Ziel von Polizeigewalt geworden zu sein. Eine weitere Strategie ist es, Militante als Demotouris oder Chaoten, als unpolitische Krawallmachende darzustellen. Das unterstellt einerseits in klassistischer und bildungschauvinistischer Manier Szene-externe Menschen als komplett unpolitisch dar, nur weil sie ihre Inhalte auf eine andere Art formulieren, als die linke Szene, spricht aber auch reflektiert handelnden theoriebasierten Linken die Fähigkeit ab, Militanz auszuüben.

Polizeigewalt sollte keine Überraschung für Anarchist*innen sein. Polizeigewalt besteht nicht als Trotzdem einer Demokratie, sondern existiert als inhärenter Teil demokratischer Herrschaft. Die Polizei ist nicht erst gewalttätig, wenn Schlagstöcke und Pfefferspray zum Einsatz kommen, auch das Handeln der Schreibtischtäter*innen bei dieser Behörde ist Gewalt, die Menschen ihrer Freiheit beraubt. Darüber hinaus findet leider häufig eine Entsolidarisierung von nicht-pazifistischen Anarchist*innen und deren Aktionsformen statt. Es ist wie ein Messerstich in den Rücken, zu lesen, dass Polizeigewalt bei militanten Aktionen ja gerechtfertigt weil provoziert sei, Angriffe auf die braven, friedlich protestierenden Pazifist*innen aber nicht legitim wären, weil diese ja keinen Anlass zur Notwehr böten. Diese Argumentation unterwirft sich auf reformistische Art und Weise der bürgerlich-juristischen Logik von Recht und Unrecht.

Anarchismus = Basisdemokratie?!

Die Annahme, Anarchismus sei Basisdemokratie, geht oft mit Pazifismus einher.

In einer Basisdemokratie sind vielleicht alle bei Entscheidungen anwesend und dürfen mit abstimmen, doch strukturelle Ungleichheiten und Dominanzverhältnisse werden dabei noch lange nicht abgeschafft. Alle bekommen die gleichen Chancen, dass jedoch unterschiedliche Chancen viel fairer sein könnten, weil eben alle Menschen gleichwertig, aber nicht gleich sind, wird dabei ignoriert. Selbst in der 'radikalsten' Basisdemokratie können Patriarchat, Rassismus, Antisemitismus, Ableismus,... weiter bestehen. Solange all diese Diskriminierungsmechanismen nicht überwunden sind, kann das Konsensprinzip nur eingeschränkt funktionieren, denn Dominanzverhältnisse wirken manipulativ. Basisdemokratie ist nicht Anarchie. Nicht alle sollen über alle Herrschen, sondern niemand über irgendwen. Wer Basisdemokratie als Ziel sierer Kämpfe und Aktivität ansieht, sollte dementsprechend fair sein, sich nicht als anarchistisch zu betiteln. Was Werbung für Basisdemokratische Positionen in anarchistischen Zeitungsprojekten zu suchen hat entbehrt jeder Logik.

Querfront gegen das System?

Durch basisdemokratische Positionen entsteht häufig eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit autoritären Gruppen. Die Kritik an Parteipolitik scheint so evident, dass sie zu wiederholen es nicht wert ist. Parteijugenden sind lediglich dienlich zur Finanzierung von Stickern, Zugtickets und anderen nützlichen Kleinigkeiten. Stellen sie in kleinen Orten ohne Squats Räume zur Verfügung, auch gut. Dienen sie Jugendlichen als Sprungbrett zur Radikalisierung, noch besser. Aber eine inhaltliche Zusammenarbeit kann nur zur Aufgabe der eigenen radikalen Ziele führen, eine gemeinsame Bewerbung von Veranstaltungen lenkt immer den Fokus auf die Partei, weil sie bereits größer und bekannter ist. Und nein, der Unterschied zwischen Parteijugend und Partei ist dabei nicht sonderlich groß. Wenn sich also eine anarchistische Gruppe aus dem Personenkreis einer Parteijugend heraus gründet, so sollte mit dem Radikalisierungsprozess auch eine deutliche inhaltliche und organisatorische Distanzierung von der Partei stattfinden. Doppelmitgliedschaften scheinen dennoch in einigen Städten die Regel zu sein. Auch bürgerliche Organisationen wie PETA, Greenpeace und Attac müssen aus anarchistischer Perspektive kritisiert werden, verstößt deren Politik doch gegen sämtliche anarchistische Ideale.

Mit autoritären Gruppen gemeint sind jedoch solche, die ihre Identitäten häufig über Personenkulte prägen und deren Organisationsstrukturen aus Kadern und Mitläufer*innen bestehen. Lenin, Mao, Stalin, Trotski, Scheisze! Sich als anarchistisch verstehende Einzelpersonen sind teilweise Mitglied in diesen Gruppen, häufig rufen anarchistische Gruppen zu Veranstaltungen von SDAJ, SAV, 3A-Bündnis und Co auf, oder machen mit ihnen Bündnisarbeit. Am Beginn der Politisierung mag dies zu verzeihen sein, denn wir alle befinden uns ständig in einem Lernprozess. Geht eine solche Kooperation jedoch von etablierten anarchistischen Gruppen in größeren Bündnissen aus, zeugt das entweder vom Missbrauch des Anarchismus-Begriffes oder von bewegungslinker Geschichtsvergessenheit.

Zuletzt besonders sichtbar auf Fotos vom Anti-G7 Camp: Anarchistische Gruppen neben dem stalinistischen 3A-Bündnis. Damit möchten wir den Ablauf vor Ort, von dem wir nichts mitbekommen haben, nicht kritisieren, dennoch hätte der anarchistische Aufruf kritisch auf Aktionspartner*innen eingehen können, eine Begründung für die Zusammenarbeit liefern können, anstatt deren inhaltliche Dominanz bei den Protesten zu dulden. Hat er aber nicht. Der Aufruf des FdA gegen G7 mit seinen standardisierten Phrasen hätte genau so gut von Attac stammen können. Was hat dieser Eventtourismus noch mit Anarchismus zu tun? Von einigen der autoritären Gruppen, die in Elmau präsent waren, gingen in der Vergangenheit immer wieder Übergriffe mit antisemitischem Motiv auf libertäre Linke und Anarchist*innen aus, die massive körperliche Verletzungen nach sich trugen.

Des Weiteren ist es bezüglich des Nahostkonfliktes höchst inkonsequent, eine antinationale Neutralität zu behaupten und dann mit Gruppen zu arbeiten, die antiimperialistisch veranlagt sind und die Auslöschung Israels als Schutzraum für vom Antisemitismus verfolgte Menschen fordern, dabei gerne auch mit Hamas-Anhänger*innen und Neo-Nazis gemeinsam demonstrieren, wie im Sommer 2014 mal wieder offensichtlich wurde. (vgl: youtube.com/watch?v=GNqOzi5DxpE, publikative.org/2014/07/15/warum-nazis-mit-islamisten-gegen-israel-marschieren/)

Im Rahmen der Proteste gegen Pegida hat eine anarcho-pazifistische Gruppe aus Köln die Spaltung der duisburger Antifa-Szene kritisiert und für den Erfolg von Pegida verantwortlich erklärt. Diese Sicht blendet die Gründe für die Spaltungen aus: Die rote Antifa NRW ist in Vergangenheit vermehrt durch sexistische und antisemitische Übergriffe aufgefallen, hat vermeintliche "Antideutsche" körperlich angegriffen und durch eben diese Gründe Hausverbot im AZ Mülheim. Mit stalinistischen (oder auch nur leninistischen) Schläger*innen gegen Rechte? Nein danke. Eine solche Querfront ist nicht nur naiv, sondern gefährlich. Nachdem es massive innerlinke Gewalt gab, ja sogar vermeintliche „Antideutsche“ gegenüber Neonazis geoutet und Informationen über sie an diese weitergegeben wurden, ist eine Spaltung nur zu gut nachzuvollziehen. Mal Utopisch gedacht: Gewinnen libertäre und autoritäre Linke gemeinsam den Kampf gegen Staat, Kapital und rechte Strömungen ohne vorher ihre ideologischen Differenzen zu klären, so steht nach einem ersten Sieg die Auseinandersetzung zwischen autoritären und libertären Linken an und damit ein Hinweis auf die bereits erwähnte bewegungslinke Geschichtsvergessenheit.

Das Bewusstsein über die historischen Verbrechen der autoritären Linken am Anarchismus darf nicht vernachlässigt werden. Siehe zum Beispiel Spanischer Bürgerkrieg, Kronstadt, oder Griechenland aktuell. Dies wäre einen eigenen Artikel wert.

Anarchismus bedeutet Abwesenheit von Herrschaft bedeutet Abwesenheit von Staat bedeutet Abwesenheit von Parteipolitik, informellen Hierarchien und Diskriminierung.

Gruppen, die kontinuierlich mit einer Parteijugend zusammenarbeiten, Werbung für Parteiveranstaltungen machen, zu Veranstaltungen der autoritären Linken Aufrufen, ja sogar Kampagnenarbeit mit ihnen machen, sollten sich per Definition nicht anarchistisch nennen, schon gar nicht, wenn sie all das ohne Begründung oder Erklärung tun. Tun sie dies doch, so ist das eine Beleidigung für all die Anarchist*innen, die in den letzten dreihundert Jahren von ebensolchen ermordet wurden. Wie kann zu einer Kampagne mobilisiert werden, die ebenso auch stalinistische Gruppen betreiben, ohne sich inhaltlich von diesen zu distanzieren, ohne daran zu denken, was stalinistische Säuberungen für Anarchist*innen bedeuteten? Menschenverachtende Gruppen lassen sich nicht durch sporadische Bündnisarbeit reformieren.
Anarchist*innen sollten auch gegen Antisemitismus aktiv sein, anstatt mit holocaustrelativierenden Gruppen, wie PETA oder strukturell Antisemitischen Gruppen wie z.B. anti-TTIP Bündnissen zusammen zu arbeiten, bzw. Werbung für deren Veranstaltungen zu machen. In Köln beispielsweise hat die Gewerkschaft IG BCE in den vergangenen Jahren Neonazis zu ihren Demonstrationen für Braunkohle angekarrt, welche mit Sprüchen wie "Wer nicht hüpft der ist ein Jude" sowie Bedrohungen gegenüber Aktivistx aus dem Hambacher Forst auffielen. Vor kurzem dann demonstrierten anarchistische Menschen gemeinsam mit dieser Gewerkschaft als es um ein anderes Thema ging. Dies wurde von mehreren anarchistischen Gruppen der Stadt beworben. Dazu kommt Zusammenarbeit mit der SAV. Wie kann sich eine Gruppe anarchistisch nennen und doch anscheinend widerspruchslos zu Demonstrationen einer trotzkistischen Sekte aufrufen, bei der sozial sanktioniert wird, wer nicht genügend Zeitungen verkauft und Anarchist*innen für Stammtischwitze herhalten müssen? Eine eindeutige Distanzierung ist hier mehr als Notwendig!

Einige unserer besten Freund*innen sind libertäre Kommunist*innen. Manchmal überlegen wir, ob es sich überhaupt noch lohnt, den Anarchismus gegen die Vorwürfe von Theoriemangel, Aktionismus und verkürzten Forderungen in Schutz zu nehmen. Es gibt zwar wirklich emanzipatorische Anarchist*innen, die tatsächlich anarchistisch sind, doch diese scheinen derzeit eine Minderheit zu sein. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der eigenen politischen Strömung bleibt häufig aus. Der Kritik an Antisemitismus und Reformismus innerhalb der anarchistischen Bewegung ist argumentativ nichts mehr entgegenzusetzen, sie trifft zu. Denn Anarchismus ist ein Modebegriff geworden unter dem sich alles von Basisdemokratie bis Verschwörungstheorie tummelt. Oder? Beweist doch mit eurem Handeln das Gegenteil. Von gesellschaftsnahen Kampagnen wie minijob.cc, von anarchistischen Gesellschaftsanalysen oder von Konferenzen wie AFem2014 /London möchten wir mehr sehen.

Wir schließen uns der Forderung an, welche einige anarchistische Gruppen dieses Jahr bereits erneut äußerten:

Für den Bruch mit der autoritären Linken!