Titel: Seien sie von Gott oder von der Republik, nieder mit allen Soldaten!
Datum: 18. November 2015
Bemerkungen: Entnommen aus Dissonanz (Hrsg): "Im Krieg, allesamt - Zusammenstellung von Artikeln von Anarchisten aus Frankreich, Belgien, Italien und der Schweiz, die infolge des Attentats vom 13. November in Paris und der damit verbundenen Kriegsdynamik erschienen.", Zürich, 25. November 2015, S. 19-21.
Original auf Französisch, Originaltitel: "A bas tous les soldats !", anonym veröffentlichtes Flugblatt, dass auf den Straßen von Paris und Montreuil verteilt wurde.

Menschen, die kaltblütig auf wehrlose und terrorisierte Leute schiessen, Flugzeuge, die ganze Quartiere, Spitäler und Schulen bombardieren, Armeen, die einfallen, plündern, vergewaltigen. Dies sind die Szenarien, die sich zeitlich und räumlich immer wieder wiederholen. Diese Übergriffe werden im Namen von dem Kreuz oder des Propheten, der Rasse, des Vaterlandes oder der Nation, der Demokratie oder Republik begangen. Um sie zu rechtfertigen und zu legitimieren, sind diese Soldaten, welche in die Menge schiessen, welche Flugzeuge steuern oder aus ihren Bunkern Drohnen lenken, dazu erzogen worden, die zu tötende, zu bombardierende, zu deportierende Masse von Leuten als Feinde der Sache zu betrachten, welche sie verteidigen, als Ungläubige und Pervertierte, als Barbaren und Wilde. Die Soldaten handeln stets im Namen einer übergeordneten Ordnung, sie mittels der Gewalt aufzuzwingen oder zu verteidigen, ist ihr Daseinsgrund, ihre Erziehung zur Gewalt wurde war immer begleitet von einer Doktrin, von einer Idee oder von einer Religion. Sie haben gelernt, zu gehorchen und auszuführen, ohne Zögern, ohne Skrupel.

Am eigenen Leib, in Paris, das Entsetzen angesichts von einem so systematisch organisierten Blutbad, den Schrecken, das Ohnmachtsgefühl gegenüber dem Gesetz der Waffen, die verzweifelte Suche nach den Nahestehenden, die Psychose zu erfahren, heisst, am eigenen Leib zu erfahren, was von Millionen von anderen Männern und Frauen an zahlreichen anderen Orten der Welt, in anderen Regionen, Städten und Dörfern erlebt wird. Sei es im Irak oder in Kurdistan, in Ägypten oder in Nigeria, in Syrien oder in Palästina, in Libyen oder in Mali, auf den Strassen von Ankara oder von Kabul, von Sanaa oder von Beirut... Es ist derselbe Terror, erzeugt von demselben Durst nach Herrschaft, von demselben Verlangen nach Macht und Reichtum.

Menschen im Anzug oder in der Tunika, die in Luxushotels oder -restaurants Verhandlungen führen, Geschäftemacher des Öls oder des Gases, der Waffen oder der Atomkraft, der Pharmazeutik oder der Agrarindustrie, der Immobilien oder der Drogen. Angesehene Unternehmensmanager und Mafiabosse, Staatschefs und Kardinäle, Imams und Rauschgifthändler. Dies sind die grossen Bosse einer Welt, die auf Autorität und Geld beruht, einer Welt, in welcher der grösste Teil der Menscheit im absolutesten Elend lebt. Sie teilen untereinander auf und streiten sich um alles, was sie “Ressourcen” nennen, einschliesslich Männern und Frauen, welche auf den Status von auszubeutendem Rohmaterial reduziert werden. Sie verfügen über Waffen und Milizen, die bereit sind, ihre Interessen durchuzusetzen, aber auch über Armeen von “Experten” (Wissenschaftlern, Ingenieuren, Architekten, Kommunizierern, Journalisten...), welche das technische Know-How sicherstellen und die Zustimmung und die Legitimation fabrizieren, die sie brauchen.

Heute hören wir sie von bedrohter Nation, von Zivilisation gegenüber der Barbarei, von Nationaler Einheit, und von anderen Phantasmen dieser Art sprechen, gleichzeitig wie sie den Ausnahmezustand proklamieren und die Grenzen den Millionen von Verzeifelten verschliessen, welche vor dem Krieg und dem Elend fliehen, das sie kreiert haben. Sie haben uns alle in ihre Kriege hineingezogen. Der Preis ist unser Leben selbst. Der Preis ist die Kontrolle durch die Bullen und die Armee, welche sie gerne unbegrenzt sehen würden.

Werden wir immer Zuschauer oder Opfer des Schreckens bleiben, der von den Staaten (ob demokratisch oder nicht, ob islamistisch oder nicht), von den Religionen und vom Markt generiert wird? Oder werden wir entscheiden, überall und mit allen Mitteln, die wir haben, zu kämpfen, um uns der Macht und ihrer Armeen engültig zu entledigen, um eine freie Gesellschaft aufzubauen, die auf den Bedürfnissen und Verlangen eines jeden und jeder begründet ist, ohne irgendwelche Chefs, Bosse oder Priester? Lasst uns revoltieren, lasst uns der Erpressung durch die Angst nicht nachgebe, lasst uns ihr Kriegsprojekt verweigern. Lasst uns die Reihen durchbrechen.

Für das Leben, für den Ungehorsam, für die soziale Revolution!